Grinzinger Brauhaus

April 2018

 

Die folgende Brauerei änderte im Laufe der Zeit mehrmals ihren Namen. Wir wollen hier den ersten und geografisch zuordenbaren verwenden. Das Grinzinger Brauhaus ist viel jünger als die Gemäuer, in denen es untergebracht war, deshalb möchte ich nun kurz ein bisschen ausholen.

Im 10. Jahrhundert dürfte sich hier ein Edler namens Grinzo angesiedelt haben, was zumindest eine mögliche Erklärung des Ortsnamens bildet. Im 11. Jahrhundert kam das Dorf an das Geschlecht der Grunzinger, wobei ich nicht viel Unterschied zwischen Grinzo und Grunzi erkennen kann. Sie bauten sich im 12. Jahrhundert an der heutigen Adresse Cobenzlgasse 30 ein Anwesen, dem sie den Namen Trummelhof gaben, angeblich weil es auf römischen Bauresten (Trümmern) errichtet wurde. Da die Grunzinger im Dienste der Babenberger standen, soll von hier aus auch die Verwaltung des damaligen Österreichs stattgefunden haben. Auch unterirdische Fluchtwege zur Donau und zum Kahlenberg sollen noch existieren. Sollen, wie gesagt.

 

Im Zuge der politischen Wirren im Kampf um die Vorherrschaft in Österreich zwischen dem Habsburger Albrecht VI. und seinem Bruder Friedrich V. kam der Hof 1463 an das Kloster Sankt Clara, das wir schon als Vorbesitzer des Brauhauses im Bürgerspital am Schweinemarkt kennengelernt haben. Die Clarissinnen wurden bei der Ersten Türkenbelagerung 1529 vertrieben. 1573 erwarben die Jesuiten den Besitz. Ab 1655 gab es eine Reihe privater Besitzer, von denen ich nur Gotthard Freiherr von Mannagetta hervorheben möchte. Erstens verlieh er dem Trummelhof sein heutiges Aussehen, zweitens kann eine Verwandtschaft zu Johann Joseph von Mannagetta, einem der Besitzer des zuletzt besuchten Popperbrauhauses, vermutet werden.

 

Franz Simon von Pfaffenhofen 1826
Franz Simon von Pfaffenhofen 1826 Quelle: Wikimedia Commons

Aber jetzt kommen wir endlich zur Geschichte des Grinzinger Brauhauses. 1814 kaufte Reichsgraf Franz Simon von Pfaffenhofen den Trummelhof und richtete im Hinterhof eine „englische“ Brauerei ein, mit für Wien damals völlig neuen technischen und hygienischen Maßstäben. Der Graf kümmerte sich jedoch mehr um das zuvor erworbene nahe Schloss Cobenzl und verpachtete die Brauerei 1820 an Ludwig Jetter. 1835 konnte Jetter die Brauerei kaufen und führte sie bis zu seinem Tod 1852 weiter. Seine Witwe Theresia Jetter verkaufte den Betrieb, nachdem dieser kurze Zeit eingestellt war, 1855 an Franz Richter sen.


Als Franz sen. 1861 starb übernahm sein Sohn Franz Richter jun. das Unternehmen und wandelte es in die Firma „Franz Richter & Comp.“ um. Compagnon wurde Rudolf Richter, sein Bruder. Franz Richter jun. war von 1871 auch im Vorstand des Brauherrenvereins, weiters Bürgermeister von Grinzing und Landtagsabgeordneter von Niederösterreich. Als er nur 43-jährig 1875 starb führte Rudolf Richter die Firma alleine. Auch Rudolf wurde Bürgermeister von Grinzing, der letzte vor der Eingemeindung nach Wien. Ab 1883 scheinen Josefine Kinsele, in erster Ehe mit Franz Richter jun. verheiratet und Klementine Weißhappel, deren Tochter, als Miteigentümerinnen auf.

Grinzing mit Brauhaus um 1900
Grinzing mit Brauhaus um 1900, Quelle: Wikimedia Commons
Inserat Lehman 1899
Inserat Lehman 1899, Quelle: Wienbibliothek im Rathaus, www.digital.wienbibiothek.at

Blechschild St. Leopold
Blechschild St. Leopold, Quelle: austria-bierglas-archiv.jimdofree.com

Nach dem die Bierproduktion immer weiter zurückgegangen war, erstand schließlich 1897 der aus Südmähren stammende Unternehmer Josef Bratmann das Brauhaus und benannte es in „Brauerei zum St. Leopold“ um. Unter ihm ging es wieder aufwärts. Bratmann war (zumindest anfänglich) sehr wohlhabend, wovon heute noch sein Bratmannpalais im 3. Bezirk zeugt. Er war auch Ehrenbürger in seiner mährischen Heimatgemeinde.

Durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten aufgrund des Ersten Weltkriegs musste aber auch er Ausgleich anmelden. Am 31. März 1924 starb Josef Bratmann und der Braubetrieb dürfte vorerst eingestellt worden sein. Seine Tochter Margarethe und sein Schwiegersohn Eduard Budil führen mit wechselndem Erfolg eine Bierabfüll- und Vertriebsgesellschaft weiter. Unter anderem wurde hier Bier des Brauhauses der Stadt Wien abgefüllt. Es wurden aber auch andere kohlensäurehaltige Getränke erzeugt, später kam auch Malzkaffee dazu.

 

Blechschild Drei Stern-Bräu
Blechschild Drei Stern-Bräu, Quelle: austria-bierglas-archiv.jimdofree.com

Ab 1927 unternahm man noch einmal den Versuch, ins Brauereigewerbe einzusteigen. Das Brauhaus wurde nunmehr unter den Namen „Drei Stern-Bräu“ und „Trummelhofbräu“ geführt. 1931 dürfte mit dem Brauen aber endgültig Schluss gewesen sein.

 

Am Brauereigelände wurden eine Synchronisations­halle und ein Filmkopier- und Schneidewerk der Sascha-Filmindustrie AG eingerichtet und bis Mitte der 1980er Jahre betrieben. Danach verfielen die Gebäude zusehends. 2004 wurden daraus eine Firmen- und Wohnhausanlage. Der Trummelhof selbst wurde im Dezember 2012 behutsam renoviert und danach als Eventlokation betrieben. Leider musste diese aufgrund von Anwohnerprotesten wegen der Lärmentwicklung im Jänner 2016 wieder schließen. Daher muss ich nun noch auf eine Gelegenheit warten, eines der wenigen tatsächlich noch bestehenden historischen Wiener Brauereigebäude von innen zu betrachten.

 

Aber auch von außen gibt es genug zu sehen. Wir starten die Brauereibesichtigung im Herzen der Wiener Heurigenkultur an der Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 38. Wir wollen zunächst zur Rückseite der Brauerei und gehen dazu den Grinzinger Steg nach Norden und biegen gleich links in den, wohlwollend gesagt, romantischen Ringweg.

 

Ungefähr dort wo dieser einen Knick nach rechts macht, sind wir beim Brauereiareal angelangt. Wir folgen dem Ringweg und sehen immer linker Hand das einstige Brauereigelände. Wenn wir zur Trummelhofgasse kommen haben wir mit der Straßenbenennung die erste Erinnerung an die Brauerei. Die Adresse hieß zwischen 1933 und 1935 „Hinter Grinzinger Brauhaus“. Durch das Buschwerk erkennen wir nun Wohnbauten, von denen man sich gut vorstellen kann, dass sie einmal Brauereigebäude waren. Wir gehen den Ringweg weiter, nach ungefähr 70 m verlassen wir wieder den unmittelbaren Brauhausbereich. Hier steht auch noch ein kleiner Mauerrest, der vielleicht einmal zur Brauereiumfriedung gehörte.

An der Krapfenwaldgasse angekommen erinnern wir uns, dass der Namensgeber dieser Gasse, Franz Joseph von Krapf, ein früher Besitzer der Hütteldorfer Brauerei war. Wir gehen die Krapfenwaldgasse bergab und kommen zur Cobenzlgasse. Einmal kann ich jetzt noch mein Lieblingsthema anbringen, die Cobenzlgasse hieß nämlich bis 1894 Bräuhausgasse!

 

Noch ein Stück stadteinwärts und wir sind beim Trummelhof und damit beim Grinzinger Brauhaus angelangt. Bei der Baulücke (Nr. 32) kann man in den Hinterhof gelangen und die heute in den Brauereigebäuden ansässigen Firmen besuchen. Anschließend wenden wir uns der Inschrift auf der linken Seitenmauer des Trummelhofs (Nr. 30) ganz oben zu, die Informationen aus der Frühgeschichte des Gebäudes liefert. Dann beachten wir zunächst die erläuternde Wien-Tafel und widmen uns der Gedenktafel links der Einfahrt, die noch einmal kurz zusammenfasst, was ich eben alles geschildert habe. Schließlich finden wir über der Einfahrt noch die originale Brauhausbeschriftung mit dem „Gründungsjahr“ 1835 (eigentlich ist es das Kaufdatum Ludwig Jetters), die Bezeichnung Trummelhof mit dem ursprünglichen (ungefähren) Gründungsjahr 1150 und das Wappen Gotthard Freiherr von Mannagettas, der das Gebäude im 18. Jahrhundert zu seiner heutigen Form umbaute.

Jenen Mannagetta finden wir auch noch in einem Straßennamen verewigt. Wir überqueren zunächst den kleinen Platz zwischen Cobenzlgasse und Himmelstraße und besuchen kurz die Grinzinger Pfarrkirche. Im rechten Glasfenster im Altarraum sehen wir den Heiligen Leopold mit der Schleierlegende dargestellt, aber weniger weil er Namensgeber der Brauerei war, sondern als Gründer des Stiftes Klosterneuburg.

Gleich neben der Kirche beginnt die Mannagettagasse. Über diese und den Mannagettasteig könnte man zum Grinzinger Friedhof und damit zu den Grabstätten der Brauersfamilien Richter, Kinsele/Weißhappel und Bratmann/Budil gelangen.

Wem nicht nach einem Friedhofsgang zumute ist, geht die Himmelstraße stadtauswärts, bis sie wieder in die Cobenzlgasse mündet. Bei der Adresse Cobenzlgasse 5, gleich schräg vis-a-vis der Brauerei, sehen wir den ehemaligen Braugasthof.

Grinzing Brauereigarten
Grinzing Brauereigarten, Quelle: AKON/ÖNB

 

Dieser und der schöne große Biergarten sind zumindest teilweise noch in der ursprünglichen Form erhalten. Heute kann man hier im Restaurant Neuland dem Paradeheurigenort trotzen und gepflegtes Bier zu sich nehmen.

Quellen

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Trummelhof

https://de.wikipedia.org/wiki/Grinzing

https://www.wien-doebling.at/data/documents/Extrablatt_20.pdf#page=26

https://www.wien-doebling.at/extrablatt/doc/Extrablatt-21.pdf#page=14

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Grinzing_%28Vorort%29

http://www.weltkulturerbe-grinzing.at/weltkulturerbe-petition.php

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Kampf_um_die_Stadtherrschaft_1461-1463

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Clarakloster

https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/themen-entdecken/literatur-sprach-und-kulturwissenschaften/kulturwissenschaft/38746/wiener-bier-geschichte

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Cobenzl

https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Essays/Kultur/Schloss_Cobenzl

https://books.google.at/books?id=6FMYUeaWfRgC&pg=PP499&dq=grinzing

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18350127&seite=10&query=jetter

https://books.google.at/books?id=sY8AAAAAcAAJ&pg=&pg=PA316

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18520914&seite=21&query=jetter

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18550612&seite=22&query=theresia+jetter

https://books.google.at/books?id=cslcAAAAcAAJ&pg=&pg=PA36

https://books.google.at/books?id=nMlcAAAAcAAJ&pg=PA36

https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/24883 (ff)

https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfp&datum=18751113&seite=5&query=%22Franz+Richter+grinzing%22~20

https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=iwe&datum=19070424&seite=9&query=%22franz+rudolf+richter+bruder%22~20

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfp&datum=18761101&seite=9&query=richter

https://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien/19-grinzing/01-04/?pg=116

http://www.valasskeklobouky.cz/josef-bratmann-30-prosinec-1890/d-446213

https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=apr&datum=18820908&seite=9&query=%22kinsele+richter%22~20

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18970120&seite=19&query=bratmann

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwj&datum=18980410&seite=23&query=bratmann

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Bratmannpalais

http://www.planet-vienna.com/spots/Palais/bratmann/bratmann.htm

https://billiongraves.com/grave/Josef-Bratmann/21680000

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwg&datum=19240401&seite=15&query=bratmann

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=rpt&datum=19270625&seite=4&query=%22stadt+wie%22

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=19251216&seite=16&query=eduard+budil

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=19320210&seite=16&query=malzkaffee

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=krz&datum=19280504&seite=13&query=leopold

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=rpt&datum=19280621&seite=11&query=%22Eduard+budil%22

https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/184223

https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/198094

http://www.döbling.com/data/documents/Extrablatt-10.pdf#page=6

http://www.filmabc.at/bilder/file/Dateien%20AusWeiterbildung/Foerderung/SKRIPTUM_Kinolehrgang.pdf#page=8

https://de.wikipedia.org/wiki/Sascha-Filmindustrie

http://pppggg.weebly.com/kirche.html

https://austria-forum.org/af/Heimatlexikon/Klosterneuburg%2C_Schleierlegende

https://www.friedhoefewien.at/grabsuche_de (Franz Richter; Grinzing)