Hütteldorfer Brauerei

Oktober 2016

 

Das Schicksal der Brauerei zum Sankt Georg ereilte die Hütteldorfer Brauerei schon ein bisschen früher, sie wurde 1927 von Schwechat geschluckt. Ihre Geschichte ist aber ungleich länger und geht zumindest bis in das 16. Jahrhundert zurück.

 

Bereits 1437 bestand im Bereich der heutigen Bergmillergasse 7 eine Mühle an einem Mühlbach, der in Hadersdorf aus dem Wienfluss ausgeleitet wurde und in Sankt Veit wieder in diesen mündete. 1599 wurde erstmals ein dazugehöriges „Präuhäusel“ erwähnt, womit wir dies als die Geburtsstunde der Brauerei annehmen wollen. Die Mühle unterstand zu dieser Zeit dem Oberjägermeisteramt und wurde auch Jägermühle genannt. Somit waren die damaligen mutmaßlichen Oberjägermeister Wolf Sigmund von Auersperg und anschließend Karl von Harrach die ersten Brauherren. Beiden Familiennamen sind durch prächtige Palais in der Wiener Innenstadt verewigt.

 

Danach gibt es in der Geschichte der Mühle zwar noch ein paar Namensnennungen, über diese Personen ist aber sonst nichts Weiteres bekannt. Um 1663 ging die Mühle samt Brauerei an die Herrschaft Hacking, womit die jeweiligen Grundherren auch Brauherren wurden:

ab 1663 Christoph Ignaz Abele von Lilienberg
ab 1685 Maria Clara Abele von Lilienberg (seine Witwe)
ab 1687 Franz Albert Freiherr von Kletzl
ab 1695 Seyfried Christoph Graf Breuner
ab 1698 Franz Joseph von Krapf
ab 1711 Anton Albert von Schmerling
ab 1718 Peter und Anna Maria von Hacque
ab 1747 Ludwig von Hacque (deren Sohn)

Die Besitzverhältnisse sind jedoch nicht ganz eindeutig. Interessant ist vielleicht noch, dass Franz Joseph von Krapf Namensgeber des Krapfenwaldls samt zugehörigem Bad in Döbling ist.

 

1771 kaufte der Braumeister Michael Eymer die Mühle und ich nehme einmal an, dass ab dieser Zeit das Bierbrauen im Vordergrund lag. Viele Informationen gibt es aber auch über die folgende Zeit nicht. Als weiterer Besitzer wird noch ein gewisser Anton Dittmann genannt, ob es hier familiäre Bande zu den Dittmanns aus der Brauerei Simmering gibt, konnte ich aber nicht klären. Auf ihn folgte Franz Dengler, der Onkel jenes Johann Denglers, den wir im Fünfhauser Brauhaus kennen lernen durften.

 

Jedenfalls wurde die Brauerei mehrfach erweitert. 1826 erwähnt der Textdichter der Kaiserhymne, Johann Gabriel Seidl, in seiner Beschreibung „Wien’s Umgebungen“ das berühmte Bräuhaus, eines der ansehnlichsten in Nieder-Österreich. Allerdings hatte der erweiterte Betrieb auch seine negativen Folgen. Im Expertenbericht zur Wienfluss-Regulierung wird 1882 folgendes festgehalten:

Das aus dem Hütteldorfer Brauhause abgehende Wasser des Mühlbaches weist geradezu eine ekelerregende Beschaffenheit auf. Die Flußsohle dieses Baches ist bedeckt mit einer hohen Schichte einer schlammigen Masse, aus welcher sich die verschiedenartigen Algen entwickeln, deren fortwährende Zersetzung einen intensiven Fäulnisgeruch verursacht. Dieses Wasser fließt sehr träge, hat eine dunkle schwarze Farbe, und entwickelt zahlreiche übelriechende Gase.

Bericht der vom Gemeinderathe der Stadt Wien berufenen Experten über die Wienfluß-Regulierung im August 1882. Verlag Gemeinderaths-Präsidium, 1882; Quelle: Internet Archive

 

1845 wurde Anton Bergmiller (manchmal fälschlich Bermüller) Eigentümer der Brauerei und später auch erster Bürgermeister von Hütteldorf. Einen Aufschwung gab es, als 1858 die Kaiserin-Elisabeth-Bahn (Westbahn) eröffnet wurde und das Brauhaus bequem vom Stadtgebiet erreichbar war. Hütteldorf war in Folge die viertgrößte Brauerei Wiens.

 

Schon 1862 wurde die Brauerei in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die Genehmigung der Statuten erfolgte sogar ein paar Monate vor jener der „Ersten Bierbrauerei-Actien-Gesellschaft in Wien“ (Schellenhof). Vorstandvorsitzender wurde der Industrielle Alexander von Schoeller (Gründer Berndorf AG und Schoeller Stahlwerke AG). Bergmiller blieb Braumeister und war bis zu seinem Tod 1870 Vorstandsmitglied. 1868 wurde August Wedl, nachdem er das ihm gehörende Neulingsche Brauhaus geschlossen hatte, Betriebsführer in Hütteldorf.

Hütteldorfer Brauerei um 1880
Hütteldorfer Brauerei um 1880, Bild: Bezirksmuseum Penzing, Quelle: www.1133.at

 

1886 starb Alexander von Schoeller und der Industrielle Max von Gomperz (nach seinem Bruder, dem Philosophen Theodor Gomperz ist die Gomperzgasse in Ottakring benannt) wurde neuer Vorstandsvorsitzender. 1898 wurde Richard Wedl neuer Betriebsführer, dieser wurde um 1900 von Konrad Schneeberger abgelöst. Schneeberger war später auch Vorstandsmitglied und sollte noch in der Brauerei Schwechat Karriere machen.

Hütteldorfer Brauerei 1900
Hütteldorfer Brauerei 1900, Quelle: Bildarchiv Austria/ÖNB
Hütteldorfer Brauerei 1916
Hütteldorfer Brauerei 1916, Quelle: Bildarchiv Austria/ÖNB

Blechschild
Blechschild, Quelle: austria-bierglas-archiv.jimdofree.com

1910 wurde Paul von Schoeller und 1920 Richard Schoeller, zwei Neffen Alexanders, Vorstands­vorsitzende, ehe die Führung 1926 mit Dr. Philipp Gomperz, wieder an den Sohn des Max von Gomperz ging. 1927 erfolgte, wie erwähnt, die Übernahme durch die Brauerei Schwechat, 1937 wurde der Brauereibetrieb schließlich komplett eingestellt.

Mit den Brauanlagen versuchte der neue Eigentümer Georg III. Mautner Markhof in Addis Abeba (Äthiopien) eine Brauerei aufzubauen. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Areal als Auffanglager für Kriegsheimkehrer. Danach erfolgte eine weitgehende Neubebauung und wir wollen nun schauen, ob noch etwas von der Brauerei zu finden ist.


Unsere Besichtigungstour beginnt an der S-Bahn-Station Wolf in der Au, um zunächst den Verlauf des Mühlbachs aufzuspüren, der ca. 300 m weiter westlich seinen Ausgang nahm. Wenn wir die Linzer Straße leicht bergab stadteinwärts wandern, schwenken wir langsam auf den früheren Wasserlauf ein. Bei der Hausnummer 457, dem ehemaligen Penzinger Lilienamt, können sogar noch Reste des Mühlbaches erkannt werden. Das Linienamt wurde 1892, nach der Eingemeindung der Vororte, vom Gürtel hierher verlegt, womit jener Zeitpunkt markiert wird, an dem die Hütteldorfer Brauerei tatsächlich zu einer Wiener Brauerei wurde.

Die zum Linienamt gehörende Linienkapelle versprüht ihren nostalgischen Charme etwas versteckt am gegenüberliegenden Abhang, zu ihr wollen wir nun hinaufsteigen. Auf der Spenderliste rechts des Eingangs finden wir auch einen guten alten Bekannten.

Wir gehen den Fußweg weiter hinauf, bis wir zum Freesienweg kommen. Wenn wir uns nach rechts wenden, sehen wir die erste Kehre der Bierhäuselberggasse, die sich hier den Bierhäuselberg hinaufschlängelt. Beide sind nach den Kelleranlagen der Hütteldorfer Brauerei benannt. Wir gehen nun einen Trampelpfad zum Parkplatz bei der Zolagasse hinunter, wo wir das Gefühl genießen können, sozusagen am Dach des Bierkellers zu stehen. An der Kreuzung mit der Linzer Straße bei der Firma Blumen Radl befand sich der Einfahrtsstollen zum Keller. Weitere Kelleranlagen sollen noch im Bereich der schräg vis-a-vis liegenden Hofer-Filiale existieren, jedoch nicht mehr zugänglich sein.

Wir überqueren die Linzer Straße und biegen in die Utendorfgasse ein. In ihr ist der historische Namen Hütteldorfs verewigt. Auf Hausnummer 27 sehen wir eine neu errichtete Wohnhausanlage, gegen die grundsätzlich nichts einzuwenden wäre, dass dafür jedoch 2012 die noch erhaltenen Reste der am Mühlbach gelegenen Glutmühle geschleift wurden, macht jedoch schon traurig.

 

Wir biegen rechts in die Lindheimgasse und an deren Knick links in den Ferdinand-Wolf-Park ein und treffen so gedanklich wieder auf den Mühlbach. Der Ferdinand-Wolf-Park hat mit dem am Beginn des Spaziergangs stehenden Wolf in der Au nichts zu tun, Ferdinand Wolf wurde 13 Jahre nach Anton Bergmiller letzter Bürgermeister von Hütteldorf. Dort wo der Weg eine leichte Rechtsbiegung macht, verlief einst der Mühlbach gerade durch den Park des Schlosses Miller-Aichholz (heute Europahaus Wien) weiter. Hier waren lange Zeit noch gemauerte Geländer zweier Brücken über den Mühlbach zu finden, aber auch diese sind mittlerweile verschwunden.

Über den Halterbach gelangen wir in den Christine-Enghaus-Weg. Der Mühlbach kreuzte den Halterbach etwas weiter flussaufwärts mit Hilfe eines sogenannten Fluders. An der Bergmillergasse (benannt nach dem berühmtesten Brauereibesitzer, vor 1894 unvermeidlich Bräuhausgasse) sind wir nun endlich am Brauereigelände angekommen. Ungefähr zwischen dem jetzt sich hier befindlichen kleinen Fachmarktzentrum und dem Merkur Markt durchquerte der Mühlbach die Brauerei. Der südwestliche Teil beherbergte die ursprüngliche Hütteldorfer Mühle, der nordöstliche Teil kam im Zuge späterer Erweiterungen dazu. Wir betreten über den Zugang zum Parkplatz das Brauereiareal. Im Hintergrund sehen wir noch originale Baureste der 1899 von Stadtbaumeister Ludwig Zatzka errichteten Brauereigebäude, zu denen wir später noch einmal kommen werden.

Über den Parkplatz kommen wir wieder zur Bergmillergasse und gehen nun unter der Bahn hindurch auf die noch immer so heißende Brauhausbrücke. Deren Name ist durch Schilder am Brückengeländer verewigt.

Die anschließende Stampfergasse war früher auch noch Teil der Bräuhausgasse. Danach die Aufhofstraße drei Quergassen Richtung Südost folgend würden wir die Lilienberggasse finden, die nach Christoph Ignaz Abele von Lilienberg, dem ersten Hackinger Grundherren, der auch Brauereibesitzer war, benannt ist. Im Hinblick auf eine baldige Labung ersparen wir uns aber diesen Umweg.


Wir gehen wieder zurück und setzen die Umrundung der Brauerei über die Keißlergasse fort, wo sich heute eine Autowerkstätte und ein Großküchenhersteller befinden. Das Einfahrtstor an der Ecke zur Helene-Odilon-Gasse sieht so aus, als ob es auch schon zu Brauereizeiten existierte. Ob dem so ist, kann ich aber nicht bestätigen.

Wir biegen nun nach links und kommen zum Firmenareal des Margarineherstellers Senna, wo wir weitere Baureste des Brauhauses bewundern können. In der Stockhammerngasse sehen wir wieder die vorhin erwähnten Überbleibsel der Brauerei, die in das Firmengebäude integriert wurden.

Der Mühlbach würde rechts, ungefähr dem Weinfeldweg entlang, weiterführen, wir wollen aber seinem Verlauf nicht mehr folgen. Erwähnt werden sollte, dass nordöstlich des Weinfeldweges, auf der sogenannten Pfarrwiese, ein Lagerplatz der Brauerei war, ehe sie von 1912 bis 1978 die legendäre Heimstätte des SC Rapid wurde. Die Lage gegenüber dem großen Biergarten war sicher nicht umsatzfeindlich.

Nach Umrundung des Areals gehen wir nun die Bergmillergasse zur Linzer Straße und sind somit im historischen Zentrums Hütteldorfs. Stadtauswärts erreichen wir nach Querung des Halterbaches das Gasthaus Prilisauer. Der Grund, warum wir gerade hier den Abend beschließen wollen, liegt an der Tatsache, dass die Gablitzer Privatbrauerei ab heuer ein „Hütteldorfer Bräu“ herstellt, das hier ausgeschenkt wird, womit eine 300 Jahre alte Tradition der Lieferung Gablitzer Biers nach Hütteldorf fortgesetzt wird. Ein guter Ersatz, wie ich glaube, für das einst vor Ort gebraute Hütteldorfer Bier. Das Gasthaus Prilisauer ist auch insofern ein idealer Schlusspunkt der Besichtigung, da im Gastraum noch eine Menge Devotionalien der Hütteldorfer Brauerei ausgestellt sind, was vermuten lässt, dass in diesen Räumen einst auch schon das originale Hütteldorfer Bier getrunken wurde.


Quellen

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