Liesinger Brauerei

Oktober 2017

 

Jetzt kommen wir von der lang vergangenen Geschichte wieder zurück, fast in die Gegenwart, um genau zu sein, zur jener historischen Brauerei, die zuletzt schließen musste, zur Liesinger Brauerei. Und sie ist auch die einzige, außer natürlich den beiden noch bestehenden, an die ich noch persönliche Erinnerungen habe, auch wenn mir mein damaliges Alter verbot, auch eine Kostprobe zu mir genommen zu haben.

1803 kauft Rosalia Held von der Besitzerin der Herrschaft Liesing, Josepha Gräfin von Breuner, eine Liegenschaft an der heutigen Adresse Breitenfurter Straße 372. Der Name Breuner taucht auch schon in der Beschreibung der Hütteldorfer Brauerei und der Brauerei in der Heiligengeistmühle auf, da es aber in diesem Fall keinen direkten Bezug zur späteren Brauerei gibt, lohnt sich die Recherche, wie die Frau Gräfin mit den anderen Breuners verwandt ist, nicht.

Liesinger Brauerei um 1872
Liesinger Brauerei um 1872, Quelle: Wikimedia Commons

 

1872 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Vorstandsvorsitzender wurde Moritz Faber jun. 1875 starb Faber sen., 1878 Theodor Löwenthal. Unter Faber jun. wurde die Brauerei zu einem Großunternehmen, Bier wurde bis in die Türkei, Syrien und Ägypten exportiert. Weiters war man an der Gründung von Brauereien in St. Petersburg und Samara in Russland beteiligt, deren Nachfolgeunternehmen mit der Baltika-Brauerei und der Schiguli-Brauerei noch immer bestehen.

Faber jun. war sozial gesinnt und Gemeinderat in Liesing. Die gesellschaftliche Stellung Fabers lässt sich auch daran erkennen, dass er wie der Kaiser Sommerfrische im Salzkammergut machte. Die Faber-Villa in Gosau ist heute ein Landhotel, auf dessen Internetseite findet sich auch das einzige Portrait Fabers, das ich entdecken konnte (vermutlich am Familienbild links).

Faber war auch Wegbereiter der Pasteurisation und der künstlichen Kälteerzeugung. 1884 gründete er die Wiener Krystall-Eis-Fabrik (sie stand an der Stelle des heutigen Brigittenauer Hallenbads). Als Vorstandsvorsitzender wurde er daraufhin vom Industriellen Vinzenz Ritter von Miller zu Aichholz (er leitete die ebenfalls in Liesing ansässige Kerzen-, Seifen- und Glyzerinfabrik A. Sarg's Sohn, die unter anderem das Speisefett Ceres und die Zahnpastatube erfand) abgelöst. Faber blieb aber weiterhin als Gesellschafter im Unternehmen tätig.

 

1898 wurde ein Spitzenwert von 400.000 hl Bier produziert und man war damit immerhin mehr als halb so groß wie Schwechat. Ebenfalls 1898 wurde ein Brauhaus-Restaurant mit markantem Turm erbaut, in dem ein großer, weithin beliebter Tanzsaal untergebracht war. Die Architekten waren Fellner & Helmer, die wir schon als Erbauer des Margaretenhofs, des Nachfolgebaus des Margaretner Brauhauses, kennen gelernt haben. In den Jahren 1900 bis 1914 entstanden soziale Wohnbauten für die Brauereiarbeiter.

 

Liesinger Brauerei 1920
Liesinger Brauerei 1920, Quelle: Bildarchiv Austria/ÖNB

Nach dem Tod von Vinzenz von Miller-Aichholz 1913 kehrte Moritz Faber im Alter von 76 Jahren wieder an die Unternehmensspitze zurück und blieb dort bis knapp vor seinem Tod 1921. Danach wurde Dr. August (II.) Miller-Aichholz, der Neffe von Vinzenz, Vorstandsvor-sitzender, nach dessen Tod Dr. Heinrich Miller-Aichholz, der Sohn von Vinzenz (er bewohnte das Schloss Miller-Aichholz, an dem wir bei der Besichtigung der Hütteldorfer Brauerei vorbeigekommen waren).

1928 fusionierte die Actien-Gesellschaft der Liesinger Brauerei mit der drei Jahre zuvor gegründeten Österreichischen Brau AG und war damit kein eigenständiges Unternehmen mehr. Im Zweiten Weltkrieg waren in der nunmehr Ostmärkischen Brau AG auch KZ-Häftlinge eingesetzt, die hier möglicherweise nicht wie anderswo Flugzeuge zusammenschraubten, sondern weiterhin Bier brauten, was die Sache aber nicht erträglicher macht. Danach stand die Brauerei, so wie die zuletzt kennengelernte Kurzzeitbrauerei in der ehemaligen Malzkaffeefabrik von Eduard König in Schwechat, unter USIA-Führung.

Liesinger Brauerei Turm im Jahr 2006
Liesinger Brauerei Turm im Jahr 2006, Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-NC-ND 3.0

1966-68 wurde ein großer Siloturm errichtet, der mit seinem Brau AG Logo jahrzehntelang das Ortsbild Liesings prägte. Doch schon 1973 wurde der Braubetrieb für unwirtschaftlich erklärt und die Brauerei geschlossen. In den Folgejahren füllte man hier noch Limonaden und Mineralwasser ab. 1980 wurde auch die Malzproduktion eingestellt. 1990 erfolgte der Abriss von Sudhaus und Schornstein. In den Lagerhallen wurden noch Flohmärkte abgehalten.

2005 schließlich verwüstete ein Großbrand die restlichen Brauereigebäude, was der Beschlussfassung zum Abriss sicher gelegen kam. Mit der Demolierung verschwand auch das Brauereimuseum, das ich leider nie besucht habe. Exponate aus Liesing konnten jedoch im Museum der Bierwerkstatt in Ilz (Steiermark) gerettet werden. 2008 wurde mit der Neuverbauung begonnen.

Nun wollen wir schauen, welche Erinnerungen an die Brauerei bis heute geblieben sind. Wir treffen uns dazu an der Schnellbahnstation Liesing. Zuerst werfen wir einen kurzen Blick auf das schräg vis-a-vis liegende Amtshaus Liesing, das nebenbei bemerkt auch von Fellner & Helmer geplant wurde. Die Bedeutung der Brauerei für den Bezirk ist auch daran ersichtlich, dass an der Fassade das Zunftzeichen der Brauer und Mälzer zu sehen ist.

Wir gehen nun die Breitenfurter Straße stadtauswärts. Um es positiv zu formulieren, die turmartige Neuverbauung des Brauereiareals von Coop Himmelb(l)au prägt das Ortsbild nun mindestens genauso stark, wie der einstige Getreidesilo. Dort wo nun der Eingang in das Einkaufszentrum Riverside ist, befand sich früher die Brauereieinfahrt.

Wenden wir uns lieber der vor dem Brauereigelände erhalten gebliebenen, unter Denkmalschutz stehenden Brauhaus-Restauration zu. Am Fenstersims sind stilgerecht Getreideähren zu erkennen. Am Turm ist das Errichtungsjahr 1898 verewigt. Nicht ganz so stilgerecht ist im Gebäude heute eine Autowerkstätte untergebracht. Dafür kann man aber zumindest noch im Oberstock in einem Billardcafe Bier von jenem Konzern zu sich nehmen, in dem die Brau AG aufging. Im feudalen Treppenaufgang sind etliche Erinnerungen an die Brauerei zu finden. Der Glanz des Festsaals ist aber verloren gegangen, da offensichtlich eine Zwischendecke eingezogen wurde.

Wir überqueren nun die Liesing und gehen die Lehmanngasse weiter. Nach kurzer Zeit treffen wir auf die Löwenthalgasse, die nach einem der Mitbegründer der Brauerei benannt ist. Bis 1947 hieß sie Johann-Held-Gasse, womit zumindest eine Zeit lang auch der eigentliche Gründervater der Brauerei geehrt wurde. Wir biegen links ein und gehen danach gleich wieder rechts in die Haeckelstraße.

 

Nun treffen wir auf die Fabergasse, die offiziell nicht nach dem weiteren Mitbegründer Moritz Faber sen., sondern nach dem, die Brauereigeschichte wesentlich stärker geprägt habenden, Moritz Faber jun. benannt ist. Wir gehen nun links auch ein Stück durch die Fabergasse und biegen dann rechts in die Pülslgasse.

Nun kommen wir zu den erhalten gebliebenen und ebenfalls unter Denkmalschutz stehenden Arbeiterwohnhäusern der Liesinger Brauerei. Da ist einmal das Haus Pülslgasse 34. Beim Aquädukt der 1. Wiener Hochquellenwasserleitung gehen wir rechts und gleich wieder rechts und haben die Häuser Haeckelstraße 35 und 33. Und dann sind da noch die beiden gegenüber liegenden Häuser, die wir auch noch von der anderen Seite an ihrer nominellen Adresse Lehmanngasse 29 und 31 bewundern können. Insgesamt sind es (wenn ich das Doppelhaus Lehmanngasse 29 zweimal zähle) sechs Gebäude. Nach der noch erhaltenen Nummerierung müssen es aber zumindest neun gewesen sein. Drei Häuser sind also mittlerweile abhandengekommen. Allesamt sind sie jedoch bestens erhalten und idyllisch gelegen.

Wir sollten nun einen kurzen Blick hinüber auf die andere Seite der Liesing werfen und uns vergegenwärtigen, dass das große Brauereiareal einst bis zum Aquädukt reichte. Wir gehen nun aber die hier verkehrsfreie Lehmanngasse am Herbert-Mayr-Park entlang wieder stadteinwärts, bis wir zum ehemaligen Steg Fabergasse kommen, der seit 2011 in Erinnerung an die Brauerei Brauereisteg heißt. Wir überqueren den Steg und sehen dass der Namen der Busstation am anderen Ende ebenfalls an die Brauerei erinnert.

Nun wollen wir ein wenig durch das Brauereiareal streunen und gehen die Stiegenanlage hinauf, wo wir einen ruhigen Innenhof und den markanten wellenförmigen hinten Baukörper zu Gesicht bekommt. Schließlich steigen wir jenen Abhang hinauf, in den einst der Felsenkeller eingegraben wurde. Wenn wir bis zur Rudolf-Waisenhorn-Gasse gehen finden wir auch noch Überreste der alten Brauereimauer. Hier gab es auch einen Hintereingang in die Brauerei.

Nun gehen wir wieder hinunter in den Innenhof und betreten an dessen östlichem Ende das Obergeschoss des Einkaufszentrums. Auch wenn der Charme der ehrwürdigen Brauerei hier nicht unbedingt mehr zu spüren ist, findet sich gleich links des Eingangs ein Lokal namens Liesinger Bräu, das die Tradition des Ortes weiter leben lässt. Hier kann auch heute noch ein exklusiv gebrautes Liesinger Bier getrunken werden, auch wenn es nunmehr aus dem Hofbräu Kaltenhausen der Brau Union stammt, das Gründungsmitglied der Brau AG war, in der die Liesinger Brauerei einst aufging.

Quellen

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https://de.wikipedia.org/wiki/Brauerei_Liesing

http://www.rodaun-heimatkunde.at/3x000/3x000x60.pdf#page=77

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Dorotheerkloster

https://books.google.at/books?id=U6O7xtH6gZAC&pg=PA102&dq=felsenkeller

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Johann_Georg_Held

https://de.wikisource.org/wiki/BLK%C3%96:Held,_Johann_Georg

https://books.google.at/books?id=UBxIAAAAcAAJ&pg=PA1424&dq=held

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Südbahn

https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/themen-entdecken/literatur-sprach-und-kulturwissenschaften/kulturwissenschaft/38746/wiener-bier-geschichte

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/L%C3%B6wenthalgasse

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Moritz_Faber_(Textilindustrieller)

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=hum&datum=18501120&seite=1&query=held

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https://www.wohnnet.at/business/architektur/riverside-wien-kopfbau-13540

https://de.wikipedia.org/wiki/Brauereisteg

https://www.meinbezirk.at/liesing/lokales/brauhaus-liesing-d460156.html

http://www.riverside.at/shops/liesinger-braeu/

https://de.wikipedia.org/wiki/Hofbr%C3%A4u_Kaltenhausen