Margaretner Brauhaus

Juni 2017

 

Ein Brauhaus der Stadt Wien gab es nicht nur in Rannersdorf, es hat auch schon früher eines in Wien gegeben. Und so wie das zuletzt besuchte Brauhaus im 20. Jahrhundert gegen das Bierkartell auftrat, hat die Stadt Wien mit dieser Brauerei im 18. Jahrhundert das damalige Biermonopol des Bürgerspitals zu Fall gebracht. Aber der Reihe nach.

 

Schon um 1373, also noch vor der ersten Erwähnung der ebenfalls im 5. Bezirk gelegenen Hundsmühle, aus der später das Hundsturmer Brauhaus hervorging, ist in Margareten ein Gutshof nachweisbar. Erster (bekannter) Besitzer war ein Jakob von Eslarn, seiner Familie verdanken wir unter anderem den Namen des Stadtteils Essling im 22. Bezirk und der Eslarngasse im 3. Bezirk. Ihm folgten Hans I. von Tirna und danach seine Söhne Rudolf und Ludwig, diese stifteten in ihrem Anwesen eine der Heiligen Margarete von Antiochia geweihte Kapelle, die dem Vorort später den Namen gab. Die Familie Tirna besaß den Hof bis ca. 1408.

 

Nikolaus Oláh
Nikolaus Oláh Quelle: Wikimedia Commons

Danach verliert sich etwas die Spur. Die Erste Türkenbelagerung 1529 dürfte den Gutshof schwer beschädigt zurückgelassen haben. 1540 kaufte der spätere Wiener Bürgermeister Paul Pernfuß das verödete Areal, ca. 1545 erbten es seine Kinder.

 

Schließlich kaufte 1555 Nikolaus Oláh das Anwesen und baute es zum Schloss aus. Vermutlich wurde ab diesem Zeitpunkt im Schlossareal auch gebraut, andere Quellen sprechen von 1564 als Gründungsjahr der Brauerei. Erstmals sicher nachweisbar ist ein (bereits baufälliges) Brauhaus um 1594. Wir können daher getrost Nikolaus Oláh als ersten Brauherrn annehmen.

 

Die weiteren Grundherren der Herrschaft Margareten und damit Brauherren des Margaretner Brauhauses waren:

ab 1564 Nikolaus Oláh, Erzbischof von Esztergom und Großkanzler Ungarns
ab 1568 Lucretia List, seine Tochter (!)
ab 1568 Johann List, ihr Witwer und Bischof von Veszprém (!!)
ab 1577 dessen Nachkommen (!!!)
ab 1607 Stephan Freiherr von Haim
ab 1614 Simon Rampelshofer
ab 1622 Vinzenz Zucconi, Gesandter Mantuas in Wien
ab 1629 Peter Ernst Freiherr von Mollard, kaiserlicher Kämmerer
ab 1630 Matthäus Fellner von Feldegg, kaiserlicher Münzmeister
ab 1637 Helene Fischer von Rampersdorf, seine Tochter
ab 1647

Johann Rudolf Schmidt Freiherr von Schwarzenhorn, ihr (zweiter) Gatte,

kaiserlicher Gesandter in Konstantinopel (Istanbul), sowie seine Miteigentümer

ab 1679 Maria Anna von Seeau, seine Tochter

Die Besitzer sind erstaunlich gut dokumentiert, aus brauereihistorischer Sicht gibt es jedoch nicht viel zu vermelden. Der ersten Brauherr Nikolaus Oláh ist in Nikolsdorf, einem weiteren Bezirksteil Margaretens, sowie in der Nikolsdorfer Gasse verewigt. Glaubt man der englischen Wikipedia, könnte Johann List ein Vorfahre des Komponisten Franz Liszt gewesen sein. Peter Ernst Freiherr von Mollard hat in der Mollardgasse im 6. Bezirk seine Spuren hinterlassen, Johann Rudolf Schmidt in der Schwarzhorngasse im 5. Bezirk.

 

Schloss Margareten um 1672, Georg Matthäus Vischer
Schloss Margareten um 1672, Georg Matthäus Vischer, Quelle: Wikimedia Commons

1683 wurden Schloss und Brauerei im Zuge der Zweiten Türkenbelagerung abermals niedergebrannt. Die nachfolgenden Grund- und Brauherren bauten Schloss und Brauerei wieder auf:

ab 1686 Hans Christoph Graf Heussenstamm
ab 1690

Hans Freiherr von Oppel und seine Frau Maria Konstantia, geborene

Freiin von Ehrenreich

ab 1708 Franz Anton Graf Sonnau, dessen Stiefsohn

Nach Freiherr von Oppel ist die Oppelgasse in Meidling, knapp hinter dem Gaudenzdorfer Brauhaus gelegen, benannt. Oppel ließ unweit des Schlosses eine Meierei bauen, in die später sein Stiefsohn einzog und die fortan Sonnauhof genannt wurde. Er dürfte auch die Brauerei neben dem Schloss neu errichtet haben (heute Margaretenplatz 4). Da das Schloss damit unbewohnt blieb, verwilderte das Areal immer mehr. Daher kaufte die Stadt Wien 1727 das Schloss und richtete darin Gewerbebetriebe ein. Die weitläufigen Gartenanlagen wurden parzelliert und verbaut.

Wien und Vorstädte 1736 (Ausschnitt)
Wien und Vorstädte 1736 (Ausschnitt), Quelle: WStLA, Lizenz: CC BY-NC-ND 4.0

 

So kam die Stadt Wien aber auch in Besitz des Brauhauses, das als Teil der Grundherrschaft nicht dem bis dahin bestehende Braumonopol des Bürgerspitals unterlag. Dies könnte schließlich auch zur Schließung des Bürgerspitalbrauhauses am Schweinemarkt 1789 beigetragen haben.

Vogelschauplan Josef Daniel Huber 1769-1778 (Ausschnitt)
Vogelschauplan Josef Daniel Huber 1769-1778 (Ausschnitt), Quelle: WStLA (Link 8. Bild), Lizenz: CC BY-NC-ND 4.0, rote Kennzeichnung eigene Hervorhebung
Ignaz von Mack
Ignaz von Mack, Quelle: Bildarchiv Austria/ÖNB

1833 verkaufte die Stadt Wien das Brauhaus an Vinzenz von Mack, später kam es an seinen Bruder Ignaz von Mack. Einen Verwandten von ihnen, Valentin II. Edler von Mack, haben wir auch schon als Besitzer der Brauerei Schellenhof kennen gelernt. Nach seinem Tod um 1846 erbten seine drei Töchter Rosina, Ignatia Christine und Amalia den Betrieb. 1869 schließlich war die Brauerei so desolat geworden, dass sie geschlossen wurde. Das Fünfhauser Brauhaus übernahm zunächst die Mälzerei, die Kellerräume und die Kundschaft der Brauerei. Schließlich wurde der Bau 1883 abgerissen.

 

Amalia von Mack ließ an Stelle der Brauerei 1884 von Fellner & Helmer den Margaretenhof errichten. Die Stararchitekten bauten damals nahezu alle Theatergebäude der Monarchie, in Wien z.B. Ronacher, Volkstheater, Akademietheater und Konzerthaus. Fellner & Helmer wollten mit ihrem Bau symbolhaft das alte Margaretner Schloss nachempfinden. Der Margaretenhof blieb bis 1999 im Besitz der Nachfahren der letzten Brauereibesitzer und wurde dann an eine Immobiliengruppe des legendären Karl Wlaschek (Gründer von BILLA, MERKUR und BIPA) verkauft, in dessen Privatstiftung er sich auch heute noch befindet.

 

Wir beginnen nun unseren Rundgang bei der U4‑Station Pilgramgasse und nehmen den stadtauswärts gelegenen Ausgang. Wir überqueren die Rechte Wienzeile und stehen in der Sonnenhofgasse. Sie ist, verballhornt, nach dem Sonnauhof benannt. Die Meierei lag in dem Häuserdreieck südwestlich der Sonnenhofgasse und nun weiß ich endlich, warum die Westeinfahrt hier eine Schikane hat. Der bemerkenswerte Bau auf Hausnummer 6 heißt zwar heute Sonnenhof, wurde jedoch erst 1896, also nach Schließung der Brauerei, errichtet. Im Hof des Nebenhaus Nr. 4 finden wir eine gemalte Sonne, den originalen Sonnenhof dürfte das Haus aber ebenfalls nicht erlebt haben.

Nach Schloss und Brauerei übernahm die Gemeinde Wien 1740 auch den Sonnauhof und richtete dort ein Armenhaus ein. Aus der Anstaltskapelle entstand die Margaretner Pfarrkirche, die sich auf der rechten Seite der Sonnenhofgasse befindet. Die Innschrift über dem Eingang deutet noch auf die ursprüngliche Widmung hin. Vor der Kirche finden wir einerseits eine Statue der Namenspatronin der Brauerei, der Heiligen Margarete, sowie die Sandsteinfiguren von vier weiteren Heiligen, die ursprünglich vor der nahen Linienkapelle, die wir schon bei der Besichtigung des Gaudenzdorfer Brauhauses besuchten, standen.

Wir überqueren nun die Schönbrunner Straße und kommen über die Rampersdorffergasse zur einzigen tatsächlich noch existierenden Bräuhausgasse in Wien. Wir folgen ihr nach links bis sie in die Margaretenstraße mündet und wir beim Margaretenhof am Nachfolgebau der Brauerei angelangt sind. Angeblich sind noch Kellergewölbe (auf Stiege 12) und ein ehemaliger Holzaufzug für Bierfässer vorhanden. Der Hof ist normalerweise nicht zugänglich, möglicherweise sind die Überreste der Brauerei aber im Rahmen einer OPEN HOUSE WIEN Führungen zu sehen.

Auf der anderen Straßenseite können wir in die einmündende Gartengasse schauen. Sie durchläuft in ihrer Länge die ehemaligen weitläufigen Gartenanlagen des Margaretner Schlosses. Wir gehen nun den Margaretenhof entlang und biegen in die Pilgramgasse, die bis ca. 1862 ebenfalls Bräuhaus Gasse hieß. Wenn wir hier auf die Fassade im obersten Stockwerk schauen, sehen wir an zwei Stellen das Monogramm AL. Es erinnert an die letzte Brauhausbesitzerin und Erbauerin des Margaretenhofs, Amalia von Mack, verheiratete Baronin Lipthay de Kisfalud et Lubelle.

Nun sollten wir noch ein paar Schritte bis zur Schönbrunner Straße gehen. Auf Hausnummer 40 finden wir das Restaurant Schwarzer Adler, hier wurde von 2013 bis 2016 das Hackl Bräu gebraut, dessen wir schon bei der Besichtigung des Lichtentaler Brauhauses gedacht haben.

Wir überqueren die Pilgramgasse und kehren zum Margaretenplatz zurück. Zunächst betrachten wir den Margaretenbrunnen. Neben einer weiteren Darstellung der Namensgeberin der Brauerei finden wir auch eine Tafel, die an den Anschluss Margaretens an die Siebenbrunner Hofwasserleitung im Jahre 1829 erinnert, womit auch das Brauhaus erstmals brauchbares Brauwasser erhielt.

Nun wollen wir uns noch ein wenig dem Margaretner Schloss, dem Stammhaus der Brauherren, widmen. Der ehemalige Standort ist am Stadtplan noch leicht auszumachen und wird heute als Schlossquadrat bezeichnet. Vom Margaretenplatz aus gesehen auf der rechten Seite wird es durch die Hofgasse begrenzt, die an den ursprünglichen Margaretner Gutshof erinnert. Das Eckhaus Margartenstraße 79 wurde 1786 anstelle der Margaretenkapelle errichtet, erlebte also die gegenüberliegende Brauerei noch. Das danebenliegende Haus Nr. 77 stammt aus 1889, also aus der Zeit nach der Brauerei. In ihm wurden allerdings Ziegeln des Gutshofs aus dem 14. Jahrhundert entdeckt. Das nächste Gebäude Margaretenplatz 3 aus 1787 ist wieder ein Zeitzeuge des Brauhauses, es trägt auch noch eine Marmortafel des ursprünglichen Schlosses aus 1651, welche an die Zerstörung und den Wiederaufbau anlässlich der Ersten Türkenbelagerung erinnert. Den ersten Brauhausbesitzer Nikolaus Oláh können wir am Beginn der dritten Zeile, Johann Rudolf Schmidt Freiherr von Schwarzenhorn, der den Bau um 1650 vergrößerte, am Beginn der vierten Zeile erkennen.

Das Eckhaus Margaretenplatz 2 bestand in seinen Grundzügen bereits vor der Zweiten Türkenbelagerung von 1683 und ist somit der einzige Teil des Gebäudekomplexes, der tatsächlich einmal Herrschaftssitz war. 1786 brannte es aus, wurde danach jedoch wieder hergestellt und aufgestockt. Über die Geschichte des Schlosses wird auf Schautafeln vorbildlich informiert. 

Wir gehen nun durch die Schloßgasse. Am Eckhaus Schloßgasse 21 finden wir wieder Hinweise auf altes Gemäuer. Auf der Rückseite des Schlossquadrats, dort wo Hofgasse und Schloßgasse aufeinandertreffen sehen wir den Hintereingang des Hauses Margaretenplatz 3, am Schlussstein über dem Tor ist das Errichtungsjahr 1787 eingemeißelt.

Nun ist es endlich Zeit, den lauschigen Gastgarten des Silberwirts im Hof des Gebäudes aufzusuchen. In den Pawlatschen finden wir neben einer weiteren Abbildung des Margaretner Schlosses auch noch eine Bild des Hundsturmer Schlosses, in dem das vor einem halben Jahr besuchte Hundsturmer Brauhaus untergebracht war. Weiters ist das Margaretner Original Franz Haydinger zu sehen, der im 19. Jahrhundert in der Gartengasse 18 ein Wirtshaus führte und nebenbei eine bedeutende Sammlung historischer Bücher anlegte. In seinem Wirtshaus wird es wohl das Margaretner Bier zu trinken gegeben haben. Das Gebäude, das auf dem Bild im Hintergrund zu sehen ist, ist jedenfalls das Margaretner Brauhaus.

Hier ist es nicht nur deshalb so schön, weil offensichtlich ein (Sitz-)Platz nach mir benannt wurde, sondern weil es hier (wie auch in den anderen Lokalen des Schlossquadrats) auch heute noch Margaretner Bier zu trinken gibt. Die Hausmarke wird aber leider nicht mehr vis-a-vis sondern in Tschechien gebraut.


Quellen

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Margaretner_Schlo%C3%9F

https://de.wikipedia.org/wiki/Essling

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Eslarngasse

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Tirna

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Paul_Pernfuss

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Margareten_(Vorstadt)

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Margaretner_Brauhaus

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Nikolaus_Ol%C3%A1h

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stra%C3%9Fennamen_von_Wien/Margareten#B

https://en.wikipedia.org/wiki/Life_of_Franz_Liszt

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Mollard

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Johann_Rudolf_Schmidt

http://members.kabsi.at/seeau/Encyclopaedia/Besitz/Ansitze-Seeau.htm#St.%20Margareten

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Oppelgasse

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Sonnenhof_(5)

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Sonnenhofgasse

http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/content/pageview/359291?query=brauhaus

https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/themen-entdecken/literatur-sprach-und-kulturwissenschaften/kulturwissenschaft/38746/wiener-bier-geschichte

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Zum_goldenen_M%C3%A4nnlein

https://books.google.at/books?id=sY8AAAAAcAAJ&&pg=PA316&dq=mack

https://books.google.at/books?id=N1BTAAAAcAAJ&pg=PA298&dq=margarethen

http://brautopo.webnode.at/wien/

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vtl&datum=18690727&seite=3&query=margarethen

http://www.margaretenhof.at/category/historisches

https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCro_Fellner_%26_Helmer

http://www.bezirksmuseum.at/de/bezirksmuseum_5/bezirksgeschichte/margareten/

http://www.sajoma.at/chronik.html

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Pilgramgasse

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Gartengasse,_5._Bezirk

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Siebenbrunner_Hofwasserleitung

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stra%C3%9Fennamen_von_Wien/Margareten#H

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Margaretenkapelle_(5)

https://www.wien.gv.at/kulturportal/public/identifyGebaeude.aspx?id=ARCH.SZI_P.20832445&mid=120f6087-341e-4e11-996d-d1ae59e52c17&cid=c78094a0-dc3f-4c9d-8a5f-bed8314806d0

http://www.tuerkengedaechtnis.oeaw.ac.at/ort/gedenktafel-am-margaretenplatz/

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Franz_Haydinger

http://www.bildarchivaustria.at/Pages/ImageDetail.aspx?p_iBildID=1906406

https://www.falter.at/archiv/FALTER_199906021603058/sideorders-essen-trotz-bier