Ottakringer Brauerei

Juli 2015

 

Spuren der Ottakringer Brauerei in Wien zu finden ist jetzt nicht wahnsinnig schwer. Trotzdem ist sie eine der historischen Brauhäuser und muss daher genauso beschrieben werden. Da in der Ottakringer Brauerei seit 2013 im Sommer die Braukultur-Wochen stattfinden wollen wir unseren nächsten Ausflug dorthin machen.

 

1837 erwarb der Müllermeister Heinrich Plank aus Rannersdorf vom Stift Klosterneuburg die Riede Paniken und errichtete an der heutigen Adresse Ottakringer Straße 89-91 ein Brauhaus und daneben auf Nr. 93 das „Drei Röserl Haus“ mit Bierausschank, Biergarten und Brauhaussaal. Die heutige Anschrift der Brauerei lautet Feßtgasse 17 bzw., „zufällig“ umbenannt zum 175-jährigen Jubiläum der Brauerei, offiziell aber nach der einst selbstständigen Gemeinde, Ottakringer Platz 1.

 

Plank vergrößerte den Betrieb stetig, verschuldete sich aber zusehends. Am 8. März 1850 musste er an die aus Břeclav eingewanderten Cousins Ignaz und Jakob Kuffner verkaufen, womit die nach den Drehers und Mautner Markhofs dritte große Wiener Braufamilie, die wir (zumindest) noch bei zwei weiteren Brauereien finden werden, auf den Plan trat. Ignaz, obwohl der Jüngere, Familienoberhaupt des Wiener Zweiges, war auch Braumeister in Ottakring, während Jakob sich später hauptsächlich einer Brauerei in Oberdöbling zuwandte.

 

Das Brauhaus wurde in einen industriellen Großbetrieb umgewandelt. 1862 kam eine Spiritus- und Presshefefabrik dazu. Ignaz Kuffner war sehr sozial eingestellt. Er ließ ein kleines Spital einrichten, gründete eine Kinderbetreuungseinrichtung und eine Schule und setzte sich für die Rechte der Arbeiter ein. 1869 wurde er zum Bürgermeister von Ottakring gewählt. In dieser Funktion konnte er auch die erste (ordentlich betriebene) Pferdetramway vom Schottentor nach Hernals über seine Brauerei umlenken. 1878 wurde er von Kaiser Franz Joseph I. zu Ignaz Edler von Kuffner geadelt.

 

1882 starb Ignaz Kuffner und sein Sohn Moriz erbte dessen Brauereianteile und ein sagenhaftes Vermögen. Moriz Edler von Kuffner war ebenfalls sozial aufgeschlossen. Er ließ die von seinem Vater gegründete „Kinderbewahranstalt“ auf einem Grundstück in der damaligen Wagnergasse (heute Arnethgasse/Seitenberggasse 6) neu errichten (in einem Nachfolgebau war ich später mit meinem Sohn im Ottakringer Eltern-Kind-Zentrum). Weiters gründete er 1884 das erste private Observatorium (Kuffner Sternwarte, Johann Staud-Straße 10). Er war auch ein anerkannter Alpinist, einige von ihm erstbegangene Routen tragen noch seinen Namen. Auch seine Schwester Katharina zahlte für die vom Vater gegründete Kinderbetreuungseinrichtung, 1886 wurde nach ihr der Aussichtsplatz Katharinenruh (Ecke Gallitzinstraße/Funkengerngasse) benannt.

1887 übersiedelte die Familie von der Brauerei in ein vis-a-vis errichtetes Stadtpalais. Auch die Modernisierung der Brauerei ging weiter. 1889 wurde die erste Kältemaschine angeschafft, nachdem bis dahin mit Natureis aus dem nahen Ganstererteich gearbeitet wurde. Als 1891 Jakob Kuffner starb wurde Moriz Kuffner Alleineigentümer der Brauerei. 1898 wurde der heute noch verwendete Brunnen gegraben. 1907 entstand der markante Darreturm, der heute Wahrzeichen der Brauerei ist.

 

1905 wurde die Kuffnerschen Unternehmungen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Aktien blieben aber im Familienbesitz, auch im Verwaltungsrat saßen nur Familienmitglieder. Mit der Brauerei ging es weiter bergauf. 1913 wurde ein Rekordwert von 351.000 hl produziert und man matchte sich mit Liesing um Platz zwei in Wien. Eine solche Produktionsmenge sollte erst wieder Ende des 20. Jahrhunderts erreicht werden.

 

Der Este Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise machten auch der Ottakringer Brauerei zu schaffen. Kritisch wurde es für die jüdische Familie Kuffner aber erst mit der Machtergreifung der Nazis 1938. Zuerst übernahm noch Stephan die Brauerei von seinem mittlerweile 84-jährigen Vater Moriz. Angesichts der drohenden Gefahr wurde schließlich das Unternehmen an den befreundeten Presshefefabrikanten Gustav Harmer aus Spillern verkauft. Der Großteil des Vermögens wurde beschlagnahmt, der Rest reichte gerade noch für eine Ausreise über Tschechien in die Schweiz, wo Moriz Kuffner kurze Zeit später starb.

 

Nach dem Krieg versuchte Gustav Harmer die Familie Kuffner wieder an der Brauerei zu beteiligen. Man einigte sich schließlich auf eine abschließende Ausgleichzahlung. Dass der damalige Verkauf nicht freiwillig erfolgte ist klar. Eine Historikerkommission sollte aber später feststellen, dass die Unternehmensübergabe unter den geltenden Rahmenbedingungen wohl vorbildlich war.

 

1962 übernahmen Gustav Harmer jun. und sein Schwager Engelbert Wenckheim das Unternehmen. 1977 trat die Brauerei aus dem Bierkartell aus und war damit maßgeblich an der Auflösung des Gebietsschutzes der Brauereien beteiligt. 1986 erfolgte der Börsengang der Brauerei. 1989 übernahm Sigi Menz die Aufgaben von Engelbert Wenckheim. 1995 schied Gustav Harmer aus der Ottakringer Brauerei aus. Im Jahr 2000 wurde Christiane Wenckheim, Tochter von Engelbert, 2. Vorstand. 2009 wurden die 11 Jahre lang von feindlicher Hand gehaltenen Aktien vom Heineken-Konzern zurückgekauft, was mit Freibier gefeiert wurde. Im gleichen Jahr wurde Christiane Wenckheim Alleinvorstand. Im September 2014 eröffnete am Brauereiareal mit dem „Brauwerk“ der Craftbier-Ableger der Ottakringer Brauerei. Heuer wechselte Christiane Wenckheim in den Aufsichtsrat, neue Vorstände sind Matthias Ortner und Roman Schnait.

 

Damit sind wir in der Gegenwart angekommen. Einen Teil der Geschichte lässt sich auch mit meiner Bierflaschensammlung nachzeichnen.

 

Die erwähnte Katharinenruh lohnt nicht wirklich einen Besuch. Interessanter wäre hier schon die Kuffnersche Sternwarte, doch ist diese ein wenig disloziert. Die Brauerei kann außerdem jederzeit besichtigt werden.

Wir beschränken uns daher bei der Spurensuche auf einen kleinen Rundgang um die Brauerei. Wir beginnen an der Straßenbahnhaltestelle Thaliastraße/Feßtgasse. Vis-a-vis endet die Panikengasse, die an die Flurbezeichnung des Baugrundes der Brauerei erinnert.

Wir gehen an der Hinterseite der Brauerei entlang und biegen rechts in die Kuffnergasse, die in der Nazizeit nach dem ersten Besitzer Plankgasse hieß. Nach einer Linksbiegung kommen wir zum Lokal Bierfink. Hier könnte man wunderbar mit Blick auf die Brauerei das Bier verkosten. Rechts in die Eisnergasse einbiegend treffen wir auf den winzigen Rest der Grüllemeiergasse, die bis 1856 (unvermeidlich) Bräuhausgasse hieß. Bis weit in das 20. Jahrhundert bildete sie, bzw. die gerade Fortsetzung, die südliche Begrenzung der Brauerei. Das Areal links der Eisnergasse wurde Pilotprojekt der „Sanften Stadterneuerung“. Hier gab es die erste Wohnstraße Österreichs (Wichtelgasse), der Neubau Eisnergasse 15-19 wurde auf einem Grund und mit Energienutzung der Brauerei errichtet. Danach kommen wir zur Ottakringer Straße, in die wir rechts einbiegen.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sehen wir die nach dem Namensgeber des ehemaligen Eisteichs der Brauerei benannte Gansterergasse (weiter östlich gäbe es dazu auch noch eine Teichgasse). Daneben (Ottakringer Straße 118-120) befindet sich das ehemalige Palais Kuffner (heute Harmer’s Bar).

Wenden wir uns aber jetzt wieder dem Brauereigelände zu. Hier lohnt nun ein Blick auf das Drei Röserl Haus, an der nunmehrigen Fassade erkennt man Braueiutensilien, Gerste und Hopfendolden. Daneben liegt der ehemalige Brauereieingang. 2013 wurde in einem Erinnerungsprojekt unter anderem auch hier mit Bodenmarkierungen gegen das Vergessen der NS-Gräuel gemahnt.

Damit kommen wir zum heutigen Eingang der Brauerei und geben uns auf dem neugestalteten Areal den Braukultur-Wochen hin.