Brauhaus der Stadt Wien

Mai 2017


Vom ältesten Brauhaus Wiens machen wir jetzt einen Sprung zum jüngsten historischen Brauhaus, dem 1903 gegründeten Brauhaus der Stadt Wien. Danach gab es (mit Ausnahme einer sechs Jahre bestehenden Brauerei in Schwechat unter Leitung der russischen Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg) 80 Jahre keine Brauereigründung mehr, ehe 1984 mit der bereits erwähnten Nussdorfer Braustub’n wieder ein Brauhaus in Betrieb ging. Gründungen von Großbrauereien gab es aber gar keine mehr.

Ende des 19. Jahrhunderts hatten die großen Brauereien das Biergeschäft in Wien fest im Griff. Die Wirtshäuser wurden untereinander aufgeteilt und mit Exklusivverträgen an die jeweiligen Brauereien gebunden. Durch die fehlende Konkurrenz konnte der Bierpreis mehr oder weniger diktiert werden. Die Wirte traten daher an die Stadt Wien heran, ein eigenes Brauhaus zu gründen, was aber von der damaligen liberalen Stadtregierung abgelehnt wurde. Die Wirte gründeten daraufhin 1899 selber die Wiener Brauhaus Genossenschaft. In Rannersdorf bei Schwechat wurde das Gut Wallhof vom Wiener Dominikanerorden angekauft, um dort eine Brauerei zu errichten.


Das besagte Landgut wurde bereits im 12. Jahrhundert von einem Edlen namens Rainhardt gegründet, von dessen Namen sich auch die Ortsbezeichnung Rannersdorf ableitet. Um 1330 kam das Martinsspital, wie das im April besuchte Brauhaus vor dem Wiener Widmertor gelegen, in den Besitz des Gutes. Nach weiteren Besitzerwechseln wurde der Heiligengeistorden, dem auch die Brauerei in der Heiligengeistmühle gehörte, die wir im November 2016 besuchten, Eigentümer des Hofes. Eine gewisse bierige Vergangenheit des Landgutes lässt sich also herleiten. Es folgten weitere Besitzerwechsel. 1615 tauchte erstmals die Bezeichnung „Wallhof“ auf. Schließlich erwarben die Dominikaner den Gutshof und errichteten 1662 das heute noch bestehende Hauptgebäude samt markantem Turm.

Das Brauhaus ging 1903 in Betrieb und war den eingesessenen Brauereien natürlich ein Dorn im Auge. Die Brauherren, allen voran Anton Dreher jun. bekämpften die unliebsame Konkurrenz wo sie nur konnten und der Betrieb war ständig in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. So trat man 1905 abermals an die nunmehr christlichsoziale Stadtregierung heran, die nun die Brauerei übernahm. Das Unternehmen firmierte in Folge unter dem Namen Brauhaus der Stadt Wien.

Brauhaus der Stadt Wien, Österreichische Illustrierte Zeitung 21. August 1910 Heft 47 Seite 1257
Brauhaus der Stadt Wien, Österreichische Illustrierte Zeitung 21. August 1910 Heft 47 Seite 1257 Quelle: ANNO/ÖNB

 

Gegen die Macht der Stadt Wien biss sich selbst der Brauherrenverein die Zähne aus. Die Straßenbahnen wurden kostengünstig zum Transport benutzt, die Markthallen der Stadt Wien dienten als Bierdepot. Der Betrieb wurde, um wirtschaftlich agieren zu können, weiter vergrößert, vor Beginn des Ersten Weltkriegs betrug die Bierproduktion bereits rund 258.000 hl, womit man hinter Schwechat, Sankt Marx, Ottakring und Liesing bereits auf Platz 5 der größten Wiener Brauereien lag.

 

Nach dem Ersten Weltkrieg fasste die nunmehr sozialdemokratische Stadtverwaltung den Beschluss, die Produktionskapazitäten abermals auszubauen. 1923 wurden Angestelltenwohnhäuser errichtet, 1927 wurde das Brauhaus an die Hochquellenwasserleitung angeschlossen. 1930 erzeugte man bereits 349.000 hl Bier und war damit hinter Schwechat bereits die zweitgrößte Brauerei Wiens und auch ganz Österreichs. 

Inserat, Handbuch der Stadt Wien 1935
Inserat, Handbuch der Stadt Wien 1935, Quelle: Wienbibliothek im Rathaus, www.digital.wienbibiothek.at

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Brauereianlagen schwer beschädigt. Aber bereits im August 1945 wurde wieder Bier hergestellt, wenn auch nur qualitativ bescheiden. 1948 gab es bereits normales Bier, 1953 wurden auch zwei Starkbiere (Weihnachtsbier und Porter) gebraut.

 

Werbung mit Else Rambausek, Maxi Böhm, Hans Hübner und Fritz Imhoff 1955
Werbung mit Else Rambausek, Maxi Böhm, Hans Hübner und Fritz Imhoff 1955, Quelle: Bildarchiv Austria/ÖNB

Nachdem der Betrieb eine Zeit lang durchaus ein Gewinnbringer für die Gemeinde Wien war (Überschüsse wurden unter anderem dafür verwendet, ein Krebsforschungs-institut im Krankenhaus Lainz zu errichten), wurden schließlich die wirtschaftliche Situation immer schwieriger. Der Bierumsatz ging trotz immensen Werbeaufwands zurück und die Pensionslasten für die ehemaligen Brauereiarbeiter wurden immer höher. Bereits 1955 gab es Gerüchte über einen bevorstehenden Verkauf. Angeblich gab es auch ein Angebot eines deutschen Konzerns, der den Betrieb weiter geführt hätte. Schließlich wurde die Brauerei aber 1959 in einer Nacht- und Nebelaktion an ein österreichisches Brauereikonsortium unter der Führung der Familie Mautner Markhof verkauft, das den Betrieb daraufhin stilllegte. Damit hatte die Brauerei Schwechat nach knapp 60 Jahren den unliebsamen Widersacher doch noch besiegen können.

Das Brauhaus stand zunächst leer. 1968 zog der Rohrgroßhändler Rohr Mertl auf das Areal. Nach eigenen Angaben wird die durch das Vorgängerunternehmen ermöglichte Krebsforschung durch regelmäßige Spenden an die St. Anna Kinderkrebsforschung weiter unterstützt.

Die Mälzerei arbeitete bis 1979 weiter für die Brauerei Schwechat, danach waren die Gebäude noch bis 1996 als Getreidespeicher in Betrieb und wurden danach abgetragen.

 

Steffl Export, Brauerei Schwechat 1992
Steffl Export, Brauerei Schwechat 1992

Von der Brauerei Schwechat wurde auch der Markenname des einstigen Spitzenbieres des Brauhauses der Stadt Wien „Steffl“ übernommen und bis Oktober 2007 verwendet. Steffl Bier wird heute noch von der Konzernschwester Heineken Hungária gebraut.

Trotz der Größe und Bedeutung des Betriebs, ist es schwierig, eine Landkarte zu finden, auf dem das Brauhaus eingezeichnet ist. Eine Möglichkeit bietet die Seite von Urban Change In Time, dort die Applikation zu starten, nach Rannersdorf zu navigieren und die Karten von 1900 bis 1955 aufzurufen. Jetzt wollen wir aber schauen, was in der Realität noch zu sehen ist.

Eine öffentliche Anreise ist zwar etwas schwieriger aber durchaus möglich. Mit der U3 bis Simmering oder der Schnellbahn bis Schwechat und weiter mit der Buslinie 217 gelangen wir zu Haltestelle Rannersdorf Schulgasse. Wir stehen zwar nun in der Brauhausstraße, diese erinnert aber an die nicht einmal 2 km entfernte Brauerei Schwechat.

 

Wir biegen rechts in die Schulgasse und sehen nun schon das ehemalige Brauereiareal vor uns. Wir gehen jedoch gleich wieder rechts in die Stankagasse. Adolf Stanka war von ca. 1908 bis 1937 zuerst Braumeister, dann auch Direktor und damit eine der prägendsten Persönlichkeiten des Brauhauses. Auf der linken Seite (Hausnummern 2 bis 18) finden wir noch ehemalige Angestellten- (hier müsste man wohl sagen Beamten-) Wohnhäuser der Brauerei.

Am Ende der Gasse biegen wir nach links in die Pirusgasse (nicht Bierusgasse!) und sind bei der Hähergasse an der nordöstlichen Ecke des Brauhausareals angelangt. Hier befindet sich heute eine Wohnhausanlage, die, zumindest teilweise, an der Stelle der Mälzerei errichtet wurde. Vom Parkplatz der Anlage sehen wir auf das Gelände der Firma Rohr Mertl, auf dem noch ein paar Bauteile der ehemaligen Brauerei erkennbar sind.

Wieder zurück in der Hähergasse können wir auf Hausnummer 14 zunächst die historische Werkseinfahrt und dann das Direktionsgebäude, auf dem auch das Errichtungsjahr 1901 verewigt ist, bewundern. Umgeben ist es von einer schönen original erhaltenen Parkanlage. Am Ende des Werksgeländes könnten wir einen Feldweg an der Werksmauer entlang gehen. Im hinteren Teil dürften noch einige Originalteile der Mauer erhalten sein, ansonsten gibt es jedoch nicht viel zu sehen.

Daher biegen wir links in den Habichtsweg. Wir queren wieder die Brauhausstraße und kommen nun zum Wallhof, der immer noch im Besitz der Gemeinde Wien ist und als landwirtschaftlicher Betrieb geführt wird. Obwohl „Stammhaus“ des Brauereiareals dürfte er für das Brauhaus keine Funktion erfüllt haben. Der Bau döst ein wenig vor sich hin, es bleibt zu hoffen, dass durch die gerade vollzogene Einfassung mit einer Wohnhausanlage auch eine Renovierung des Wallhofs einhergehen wird. Am Schlussstein des Haupteingangs in der Brauhausstraße ist das Errichtungsjahr 1662 zu erahnen, darüber ist ein Wappen der Stadt Wien zu sehen.

Wieder zurück in der Schulgasse können wir an einem Relief am Gebäude der Volksschule Rannersdorf noch einmal die Geschichte des Ortes nachlesen. Hier ist auch die einzige Erwähnung des Brauhauses im Straßenbild, die ich finden konnte.

Eine Spur des Brauhauses der Stadt Wien gibt es aber noch zu entdecken. Dazu müssen wir wieder mit Bus und S- oder U-Bahn in die Innenstadt Wiens. Im Keller des Hauses Am Graben 29a findet sich das Bierlokal Wiener Stadtbräu, das noch heute den (zweiten) Namen des Brauhauses der Stadt Wien trägt und auch einige Erinnerungsstücke der Brauerei zu bieten hat. Demzufolge finden wir hier auch Biere der Brau Union, deren Brauerei Schwechat einst zumindest den Markennamen Steffl übernommen hatte.