Brauhaus im Unteren Werd

März 2015

 

Bei den letzten beiden Brauereien, die wir besuchten, gab es noch einen gewisser Gegenwartsbezug, zumindest könnte man Zeitzeugen finden, die sich noch an die Brauereien erinnern. Das Brauhaus im Unteren Werd existiert jedoch immerhin fast 170 Jahre nicht mehr und von ihm ist auch so gut wie nichts mehr zu finden. Deshalb möchte ich mich bei der Beschreibung auch mit der weiter zurückliegenden Zeit näher beschäftigen.

 

Bierbrauen war im Mittelalter in Wien ein landesfürstliches Monopol. Ab 1432 wurde es als Lehen an das Bürgerspital übertragen. Bierausschank war somit, neben Schenkungen, die Haupteinnahmequelle. Bier braute man zunächst in den Häusern des Bürgerspitals selbst. Im Jahre 1536 wurde dann auf einem dem Bürgerspital vererbten Grund des Neideckerhofs das Brauhaus im Unteren Werd gegründet (heute Malzgasse 5). Der Name Werd leitet sich, so wie der öfter in Ortsbezeichnungen zu findende Zusatz Wörth, von Insel ab, was durch die Lage in den damaligen Donauauen verständlich wird.

Auf einer ebenfalls dem Bürgerspital gehörenden in der Nähe befindlichen baumlosen Heide (siehe Haidgasse) wurde 1626 ein Judengetto errichtet. Dieses wurde eher verharmlosend Judenstadt genannt und befand sich zwischen den heutigen Straßenzügen Kleine Pfarrgasse/Große Schiffgasse/Krummbaumgasse/ Karmelitergasse/Taborstraße. 1670 wurden von Leopold I. die Juden vertrieben und an der Stelle der Synagoge die Leopoldskirche errichtet. Damit bekam der Untere Werd auch den Namen Leopoldstadt. Einige der damaligen Häuser stehen heute noch. Daher beginnen wir unseren Rundgang bei der Taborstraße, um zumindest Gebäude zu sehen, die zur Bestandszeit der Brauerei schon existierten. Das Barockhaus Große Pfarrgasse 19 (Zum goldenen Hasel) stammt aus 1736, der dahinter liegende heutige Bau der Leopoldskirche aus 1724. Im Pfarrhof der Kirche wurde übrigens 1819 die Erste Bank gegründet, das älteste bestehende Kreditinstitut Österreichs. Wir biegen links in die Rotenkreuzgasse ein und kommen in die Haidgasse. Die Häuser Nr. 9, Nr. 8 (Zur goldenen Artischocke, später Zum Sieg) und Nr. 6 (Pabsthaus) wurden vor 1683 errichtet. Wir biegen in die Große Sperlgasse ein. Das Haus Nr. 16 (Zum weißen Kreuz) stammt sogar schon aus 1670, das Haus Nr. 18 (Zu den drei Rösseln) aus 1689. Im Haus Nr. 24 (Seifensiederhaus) aus 1685 ist heute das Wiener Kriminalmuseum untergebracht.

Straßenschild Im Werd

Nun folgen wir wieder der Großen Pfarrgasse und biegen recht in die Leopoldsgasse ein. Auf der linken Seite mündet der Straßenzug "Im Werd", in dem der Namen des Brauhauses erhalten geblieben ist. Wir folgen der Leopoldsgasse, die sich bald etwas aufweitet und stehen nun sozusagen vor der ehemaligen Brauerei.

Wien Leopoldstadt, Vasquez 1830
Wien Leopoldstadt, Vasquez 1830 (Ausschnitt), Quelle: Wikimedia Commons, rote Kennzeichnung eigene Hervorhebung
Straßenschild Malzgasse

Vor uns kreuzt die Malzgasse, die naheliegender Weise nach dem hier verarbeiteten Rohstoff des Bieres benannt wurde. Bis 1862 hieß diese Gasse Bräuhausgasse. Das Brauhaus nahm im Wesentlichen den Häuserblock Malzgasse/Miesbachgasse/Leopoldsgasse ein. Teile des Geländes reichten aber auch über die Miesbachgasse und die Leopoldsgasse hinaus. Vom Brauhaus lässt sich, wenn man so will, höchstens noch ein Gebäudevorsprung erahnen, um den die Malzgasse herumgebaut wurde und daher dort einen leichten Knick aufweist.

Franz Anton Dreher
Franz Anton Dreher, Quelle: Wikimedia Commons

In der Brauerei wurden ein leichteres helles „Weißbier“ und ein stärkeres dunkles „Braunbier“ hergestellt. Von den Braumeistern weiß man nicht viel. Als einziger Bekannter taucht ein gewisser Franz Anton Dreher auf. Dreher kam 1760 mit dem sogenannten großen Schwabenzug nach Wien, arbeitete zunächst als Bierkellner und pachtete bald die Herrschaftsbrauerei in Oberlanzendorf. 1782 pachtete er dann das Brauhaus im Unteren Werd. Hier hatte er offenbar so viel Erfolg, dass er 1796 das Brauhaus Klein Schwechat kaufen konnte, das seine Nachkommen zum einst größten Brauereikonzern der Welt machten.

Straßenschild Miesbachgasse

Dreher blieb noch bis 1812 im Brauhaus im Unteren Werd aktiv. Danach wurde hier so schlechtes Bier produziert, dass es rasch bergab ging. Schließlich kaufte 1846 der Ziegeleibesitzer Alois Miesbach die Brauerei und legte sie still. Wir gehen nun links um das Brauereigelände herum und kommen in die nach dem Totengräber des Brauhauses benannte Miesbachgasse. Eine weitere Verewigung des Namens Miesbachs findet sich noch in der Nähe des Pratersterns in der Aloisgasse. Wir wollen noch eine Spur suche, die an Miesbach erinnert und finden im Garten des in der Nähe befindlichen Haus Schreygasse 6 ein Biedermeiersalettl, das seine Initialen A.M. trägt.

Alois Miesbach
Alois Miesbach, Quelle: Wikimedia Commons

Miesbach hatte natürlich Hintergedanken. Er ließ das Brauhaus abreißen und baute dort und auf den noch unbebauten Flächen zur Oberen und Unteren Augartenstraße hin mit seinen Ziegeln Zinshäuser. Aus seiner Ziegelei wurde später die Firma Wienerberger und damit der heute größte Ziegelproduzent der Welt, womit in diesem Winkel der Leopoldstadt noch eine zweite weltweite Erfolgsgeschichte ihren Ausgangspunkt nahm.

 

Wir folgen nun der Miesbachgasse und kommen wieder zur Leopodlsgasse. Neben dem weniger einladenden Café Okay findet sich im Haus Nr. 14 als Erinnerung an die Getränkevergangenheit des Ortes ein Weinladen. Hier fand ich auch ein hervorragendes obergäriges Bier der Brauerei Hidden Ice aus der Provinz Alicante in Spanien. Vis-a-vis im ebenfalls noch am Brauereigelände befindlichen Theodor Herzl-Hof ist eine Erinnerungstafel an eine ehemalige jüdisch-orthodoxe Mädchenschule und eine Frauengewerbeschule angebracht, womit sich der Kreis der jüdischen Vergangenheit dieses Ortes wieder schließt.

An der Rückseite des Häuserblocks in der Oberen Augartenstraße kehren wir in das Lokals Ü ein, in dem Vorarlberger Speisen und Getränke (Mohrenbrauerei) serviert werden. Damit kommen wir lukullisch zumindest in die Nähe des Geburtsortes des bekanntesten Braumeisters des Brauhauses im Unteren Werd.