Oberer Stinkersee - Zicklacke 25. April 2009

 

Schön langsam begann ich nervös zu werden. Schon über ein halbes Jahr war ich keinen See mehr gelaufen und wenn ich in diesem Tempo weiter machen würde, musste man mich noch im Rollwagerl um den letzten See führen.

 

Zum Glück brauchten die Kinder neues Gewand in großen Mengen und da bot sich das Outletcenter Parndorf an. Natürlich hatte ich auch für diesen Ausflug eine sinnvolle Nebentätigkeit anzubieten. Im Seewinkel liegen vier Seen, die es auf die Liste geschafft hatten. Geben tut es hier ja wesentlich mehr Seen, aber vier sind eben größer als 0,5 km2. Zu jeden der vier größeren Seen einzeln anzureisen zahlte sich nicht wirklich aus. Also dachte ich mir, wenn schon, dann zumindest gleich zwei Seen auf einmal. Ich entschied mich für den Oberen Stinkersee und die Zicklacke, das sind wahrscheinlich die unbekanntesten Seen auf der Liste. Zusammen ergaben sie einen Lauf von ca. 16 km.

 

Das erste Geschäft im Outletcenter wurde gleich gestürmt, Felix schnappte sich zwei Hosen, sagte „passt“ und die lästige Pflicht des Einkaufens war für ihn schon wieder erledigt. Der Rest war dann nur noch Krampf. Nachdem es beim „Nordsee“ nicht möglich war, uns mit einmal Anstellen sowohl Erwachsenen- als auch Kinderessen auszuhändigen, brachen wir das Ganze schnell ab und fuhren Richtung Seewinkel.

 

Oberer Stinkersee

Jetzt hieß es, das etwas angeschlagene Nervenkostüm meiner Familie nicht noch weiter zu strapazieren und meine Seeumrundungen möglichst schnell und familienfreundlich hinter mich zu bringen. Ich ließ also Conny und die Kinder in Podersdorf am See aussteigen, wo sie zumindest Minigolf spielen konnten und fuhr weiter zum Oberen Stinkersee.

 

Der direkte Weg war auf der Radlerroute, die um den See führt und ich zweifelte, ob ich da mit dem Auto überhaupt zufahren kann. Das Wetter war sehr schön und warm und deshalb waren hier schon viele Radfahrer unterwegs. Als dann noch ein Teil der Straße auf Grund einer Baustelle nur eine Schotterpiste war und ich alle Radler entsprechend einstaubte, hatte ich schon ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Kurz nach dem Heurigen zur Hölle stellte ich mein Auto ab, zog mich um, packte die notwendigen Sachen zusammen und los ging es.

 

Zuerst lief ich die Straße weiter und nach der ersten Kurve konnte ich schon den See sehen. Ich machte gleich einmal ein paar Fotos, ich wusste ja nicht, ob es dazu noch so viele Gelegenheiten geben würde, erstens kann man aufgrund von Schilf und Schutzgebieten nicht unbedingt immer nah genug an den See ran und zweitens ist die Wahrscheinlichkeit an einen höher gelegenen Aussichtspunkt im Seewinkel zu kommen eher gering. Kurze Zeit später musste ich von der Straße abbiegen, ich blieb wieder stehen, um mich auf meiner Karte zu vergewissern den richtigen Weg erwischt zu haben, um nicht irgendwo im Sumpf zu landen. Dann musste ich wieder stehen bleiben um meine Schuhe zu richten. Irgendwie kam ich nicht so richtig in Fluss.

 

Trotzdem war ich recht flott unterwegs. Vor einer Woche waren wir im Rahmen des Vienna City Marathons einen Familien-Staffelmarathon gelaufen. Ich hatte dabei den längsten Streckenteil übernommen, auch ca. 16 km, war von da her im Moment ganz gut drauf und schnelle Kilometer fielen mir ganz leicht. Insofern kam doch Stimmung auf, der Reiz dieser flachen und eintönigen Landschaft mit ihren versalzenen Wiesen und ihrer typischen Flora und Fauna nahm mich in Beschlag. So vielschichtig aber auch die Fauna um den See sein mochte, im See ist sie doch etwas bescheiden. So ist der Obere Stinkersee einer von zwei fischfreien natürlichen Gewässern Österreichs (> 50 ha). Der andere See ist die Zicklacke, zu der würde ich ja heute auch noch kommen. Aber ich schweife ab.

 

Irgendwann kam ich drauf, dass ich den Startpunkt meiner Tour eigentlich blöd gewählt hatte. Wenn ich schon zwei Seen in einem Lauf umrunden wollte, dann sollten die Seeumrundungen wenigstens in einem erfolgen. So aber lief ich zuerst ein Stück Stinkersee, dann die Verbindung zum nächsten See, um die Zicklacke herum, wieder zurück und den zweiten Teil der Stinkerrunde. Kurz überlegte ich, ob das überhaupt gilt, redete mir dann aber ein, dass ein Lauf eben ein Lauf ist und wenn ich bei der Runde um den Oberen Stinkersee einmal kurz abbiegen würde, um einen anderen See zu umrunden, dann macht das auch nichts. Ich stellte mir dazu vor, von meinem Lauf zur Familie zurückzukommen und zu sagen, ich muss das Ganze nochmal machen, es hat nichts gegolten. Das wäre vermutlich ein Scheidungsgrund. Jetzt musste ich mich wenigstens darauf konzentrieren, keinen der Zeitnehmungspunkte zu vergessen, um nachher wenigstens die Dauern der einzelnen Runden ausrechnen zu können. Insgesamt musste ich so sechsmal abdrücken, die Foto- und sonstigen Pausen noch gar nicht eingerechnet.

 

Nach ein paar Mäandern durch die Weinberge (besser Weinebenen) kam ich zur Kreuzung, wo ich später den zweiten Teil der Runde um den Oberen Stinkersee fortsetzen sollte. Weiter ging es zur Zicklacke Richtung Illmitz. Jetzt konnte ich eigentlich auch ein bisschen langsamer laufen, weil dieser Teil sowieso nicht zu einer Seerunde zählte, aber ich hielt trotzdem fast das Tempo. Ich lief am Unteren Stinkersee vorbei. Der war nicht einmal halb so groß wie der Obere Stinkersee, der ja schon der Kleinste auf der Liste war, brauchte also nicht umrundet zu werden. Nur Vorbeizulaufen, also halb umrunden, reicht sicher auch. Ich dachte daran, dass ich hier nochmals laufen werden müsste, wenn ich, irgendwann, den Neusiedler See umrunden sollte. Gedanken beschäftigten mich wie: „Kann ich mir diesen Teil der überlangen Neusiedler-See-Runde sparen, wenn ich da eh schon mal gelaufen bin?“ „Reicht es nicht, alle österreichischen Seeufer einmal abzulaufen?“ Nein, ich will ja jeden See in einem umrunden, das würde dann wohl nicht gelten. Aber schauen wir mal.

 

Nach knapp zwei Kilometer begann ich meine zweite Runde um die Zicklacke. Wegen Unzugänglichkeit war hier von einem See noch lange nicht zu sehen. Ich lief „hinauf“ nach Illmitz, die einzigen nennenswerten Höhenmeter der Runde, nämlich zehn. Die Orientierung fiel mir leicht, weil ich das von einer Radtour um den Neusiedlersee schon kannte. Inzwischen machte mir auch die Hitze ganz schön zu schaffen und ich war froh etwas zu trinken mitgenommen zu haben. Kurz vor Illmitz kam ich am Informationszentrum des Nationalparks Neusiedler See – Seewinkel vorbei, dann musste ich mich schon durch den Ort suchen. Ich dachte kurz daran, zufällig meine Sekretärin, die aus Illmitz stammte, hier treffen zu können. Dies sollte aber eigentlich nicht geschehen, war sie doch zu dieser Zeit gerade im Krankenstand.

 

An der Ortsausfahrt trank ich meine zweite Flasche und schüttete mir dabei auch etwas über den Kopf, um diesen zu kühlen. Es war doch schon recht heiß und ich noch immer flott unterwegs. Jetzt sollte aber schön langsam die Lacke zu sehen sein. Plötzlich kam mir ein eigenartiger Gedanke. Auf meiner Karte stand bei der Zicklacke „periodisch“, also dass diese gelegentlich trocken fällt. Schon blöd, wenn der See gar nicht da wäre, während ich herumlief. Zum Glück war die Angst unbegründet. Üblicherweise ist ja im Frühjahr der Wasserstand am höchsten. Durch Regen und Schnee werden die Lacken im Winter gefüllt, Wind und Sonne im Sommer bringen Wasser wieder zum Verdunsten. Durch Kapillarwirkung steigt Wasser aus dem Grundwasserkörper auf und bringt Salze mit, die mithelfen, die Lacke abzudichten und so einem Verlanden vorzubeugen. Der Grundwasserspiegel muss also so hoch sein, dass die Lacken von unten benetzt werden, aber nicht so hoch, dass die Salze wieder ausgeschwemmt werden. „Alles sehr kompliziert.“ Nicht umsonst war der ehemalige Bundeskanzler Sinowatz, von dem dieses Zitat stammt, Burgenländer. Aber ich schweife ab.

 

Schon bald kam an der Straße Richtung Seebad der See ins Blickfeld. Wie die Zicklacke zu ihren offiziell 1,2 km2 kam, war mir allerdings nicht klar. Augenscheinlich und auch nachgemessen war sie viel kleiner. 1,2 km2 dürfte sie nur haben, wenn sämtliche Periodizität im vollen Umfang ausgenützt waren und alle umliegenden Wiesen unter Wasser standen. Aber egal.

 

Zicklacke

Ich machte wieder eine Fotopause und jagte ein paar Graugänse. Der Läufer der plötzlich stoppt, auf Fotosafari geht, um dann wieder hochsportlich davon zu sprinten, muss sicher ein lustiges Bild für die vielen Nationalpark­touristen abgegeben haben. Jedenfalls war dies meine letzte Pause. Die Abzweigung von der Seegasse zurück fand ich gut, die Karte brauchte ich also nicht mehr, den Aussichtsturm ließ ich aus, Fotos hatte ich auch schon genug. Allerdings machte sich nun meine Verdauung unangenehm bemerkbar. Das war aber eher ein Grund noch schneller zu laufen um ein WC zu finden. Bald war meine Zicklackenrunde zu Ende. Mir kam ein Läufer entgegen, der drehte aber knapp vor mir um und lief vor mir her. Er war aber zu schnell für mich, allerhand für einen Trainingslauf, wo ich doch in einem fast Wettkampf war.

 

Meine Verdauungsprobleme wurden immer unangenehmer. Trotzdem vergaß ich auch die letzte Zwischenzeit nicht zu nehmen und begann den zweiten Teil der Runde um den Unteren Stinkersee. Der verbleibende Teil zog sich ganz schön, aber trotzdem lief ich bis zum Schluss rund durch. Nach 1 h 21 min war ich zurück und war damit im Schnitt schön über 12 km/h geblieben, dafür dass es kein wirklicher Wettkampf war und auch schön heiß für mich recht ordentlich.

 

Als ich nun wieder stand, war auch der Drang zu einem WC erträglicher geworden. Ich zog, trotz in der Nähe befindlicher Radfahrer, im Schutze des Autos all meine nasse Laufwäsche aus und mein trockenes Gewand wieder an, so war auch ohne Dusche das Geruchsproblem für die nächste Zeit einigermaßen gebannt und machte mich zurück auf den Weg nach Podersdorf. Meine Familie hatte die Zeit auch angenehm verbracht und sich noch gar nicht fadisiert. Ich suchte endlich das WC im Strandbad auf, aß noch ein Eis und wir fuhren wieder zurück nach Wien. Wieder zwei Seen geschafft!