Gaudenzdorfer Brauhaus

April 2016

 

Nachdem die letzten beiden Brauereien doch sehr bedeutend waren und Anlass für viel Recherche boten, wollen wir es diesmal ein bisschen ruhiger angehen. Vom Gaudenzdorfer Brauhaus ist in der Natur nicht mehr viel zu finden und wir werden uns daher mehr auf den abschließenden Wirtshausgang konzentrieren können.

 

Der unmittelbar vor der Hundsturmer Linie gelegene Ortsteil Neu-Meidling trennte sich 1819 von Untermeidling ab und benannte sich nach dem Grundherren, dem Klosterneuburger Propst Gaudentius Andreas Edler von Dunkler, Gaudenzdorf. Schon im selben Jahr wurde eine Brauerei gegründet, die ungefähr in der heutigen Hofbauergasse 2-4 lag, und ein Areal zwischen Anton-Scharff-Gasse, Schönbrunner Straße, Gaudenzdorfer Gürtel und Arndtstraße in Beschlag nahm. Der Betrieb, und so haben wir eine Parallele zur Nussdorfer Brauerei, trug ebenfalls den Titel k.u.k. Hofbräuhaus, allerdings schon früher.

 

1829 wurde in Wien die sogenannte Verzehrungssteuer eingeführt, wodurch sich die Lebensmittelpreise innerhalb der Linie wesentlich verteuerten. Davon profitierten die knapp außerhalb des Linienwalls gelegenen Betriebe. Auch das Gaudenzdorfer Brauhaus entwickelte sich positiv, 1833 wurde als Zweigstelle die Brauerei Oberdöbling gegründet.

Hand-Atlas Wien, Vasquez 1830
Hand-Atlas Wien, Vasquez 1830 (Ausschnitt), rote Kennzeichnung eigene Hervorhebung, Quelle: Wienbibliothek im Rathaus

 

Die Qualität des Bieres dürfte aber nicht besonders hoch gewesen sein. In einem Rückblick auf die Geschichte des Brauhauses wird 1872 dazu folgendes geschrieben:

Ursprünglich bestand dort [...] das uralte und hochberühmte k. k. Hofbräuhaus, das unter damaligen Verhältnissen bedeutend, nach dem Maßstab, welchen wir heute anzulegen gewohnt sind, kleinlich war. [Im] Betrieb dieser Brauerei [wurde] ein weit und breit berühmtes, nach unserem durch Dreher’s Reform der Brauerei anspruchsvolleren Geschmack, herzlich schlechtes Bier erzeugt.

Wiener Weltausstellungs-Zeitung 21. Jänner 1872 Seite 2, Quelle: ANNO/ÖNB

 

Josef Gierster mit seiner Familie, F. G. Waldmüller 1838
Josef Gierster mit seiner Familie, F. G. Waldmüller 1838, Quelle: Wikimedia Commons

Bedeutung erlangte das Unternehmen erst, als Josef Leopold Gierster 1836 die Brauerei übernahm, in der er zuvor schon Braumeister war. Er legte zur bereits dort befindlichen Gastwirtschaft einen Gasthausgarten im englischen Stil an und errichtete Tanzsäle. Gierster war sozial eingestellt, er stiftete ein Choleraspital und richtete eine Werksfeuerwehr ein, die dem ganzen Ort zu Gute kam. Er war Ortsschulaufseher und wurde 1850 zum ersten Bürgermeister Gaudenzdorfs gewählt, womit es eine weitere geschichtliche Parallele zur Nussdorfer Brauerei gibt. In seiner Amtszeit wurde auch das Gaswerk Gaudenzdorf errichtet.

 

Nach dem Tod Josef Leopold Giersters 1863 übernahm zunächst sein Sohn August den Betrieb, der aber nach zwei Jahren ebenfalls starb. Danach kam die Brauerei in den Besitz der Brüder Anton und Friedrich Holitscher. 1869 wurde die Brauerei in eine AG umgewandelt, die den genussvollen Namen „Actiengesellschaft der vereinigten Fabriken in Gaudenzdorf“ trug. Vorstandsvorsitzender war Anton Graf Forgach. Neben der Bierbrauerei bestand die AG noch aus einer Malz- und einer Ölfabrik. Um 1870 erreichte man einen Bierausstoß von rund 50.000 hl, blieb damit einigermaßen überschaubar und war gerade ein bisschen größer als das Neulingsche Brauhaus.

Wiener Weltausstellungs-Zeitung 21. Jänner 1872 Seite 1
Wiener Weltausstellungs-Zeitung 21. Jänner 1872 Seite 1, Quelle: ANNO/ÖNB

 

Schon 1872 wurde die Gesellschaft liquidiert, nur die Gastwirtschaft blieb bestehen. Fotos des Brauhauses und der Gastwirtschaft wurden in der Sendung Mein Meidling im ORF gezeigt. 1892 wurde Gaudenzdorf in die Stadt Wien eingemeindet, ab 1894 wurde der Linienwall demoliert und danach mit der Neubebauung des Brauereiareals begonnen.

 

Wir starten unseren Rundgang an der U4-Station Margaretengürtel. Wir queren zunächst den Bruno-Kreisky-Park und finden am südöstlichen Ende eine sogenannte Linienkapelle, die letzte, die noch im Original am ursprünglichen Standort existiert. Aufgrund der Zugbrücke über den Liniengraben und der Hochwassergefahr des nahen Wienflusses war sie dem dafür zuständigen Heiligen Johannes Nepomuk geweiht. Die Kapelle ist das letzte Überbleibsel der Mautstation (Linienamt) an der Hundsturmer Linie, an der die Verzehrungssteuer für eingeführte Lebensmittel erhoben wurde. Als Erinnerung daran findet sich ein paar Meter stadteinwärts auch die Mauthausgasse. Zum Gedenken an den Linienwall ist gegenüber der Kapelle am Schönbrunner Hof, Schönbrunner Straße 141, die Inschrift „Zur alten Schönbrunner Linie“ angebracht.

Wir gehen jedoch stadtauswärts. Auch wenn der Linienwall nunmehr demoliert ist, ist die trennende Wirkung des Gürtels zwischen den inneren und äußeren Bezirken immer noch gut spürbar. An der Kreuzung Schönbrunner Straße/Gaudenzdorfer Gürtel haben wir das Brauereiareal erreicht. Die Gebäude standen vermutlich leicht schräg zum Gürtel und reichten hier bis in den Grünstreifen zwischen den beiden Gürtelfahrbahnen hinein. Wir gehen nun am Gaudenzdorfer Gürtel entlang nach Süden und durchqueren dadurch die Brauerei. Im Haus Nr. 47 und damit mitten im einstigen Brauereigelände starb 1935 der Schulreformer Otto Glöckel (Gedenktafel) und verbrachte ab 1946 der Liedermacher Georg Danzer seine Kindheit, die er sogar im Lied „Gaudenzdorfer Gürtel 47“ verewigte.

 

Wir biegen rechts in die Arndtstraße und gleich wieder rechts in die Anton-Scharff-Gasse und gehen so an der südlichen und westlichen Seite der Brauerei entlang. Wo wir auf die Hofbauergasse treffen verlief die Brauereigrenze in gerader Linie weiter. Wir müssen nun den kleinen Umweg über die Kollmayergasse zur Schönbrunner Straße gehen und sind damit um die Brauerei herum.

Eine Erinnerung an das Brauhaus gibt es jedoch noch zu finden. Zunächst gehen wir durch die Seumegasse und kommen wieder zum Gürtel. Bei der dortigen Tankstelle finden wir an einer Stange sowohl ein Straßenschild des Gaudenzdorfer Gürtels als auch der Dunklergasse und haben so den zumindest mittelbaren Namensgeber der Brauerei doppelt verewigt. Auf der vor uns liegenden großen Freifläche zwischen den beiden Gürtelfahrbahnen („Stadtwildnis“) stand zwischen 1855 und 1912 das Gaudenzdorfer Gaswerk, die Fläche blieb unverbaut, da hier toxische Altlasten vermutet werden. Hier gäbe es auch ein Bierlokal, dessen Namen an die Aktiengesellschaft der Brauerei erinnert (Zur Fabrik), wir wollen aber noch weiter. Wir folgen zunächst der Dunklergasse. An deren Ende sehen wir in der Kobingergasse 4 den Schellenhof, der aber mit der schon früher besuchten gleichlautenden Brauerei nichts zu tun hat.

Wir gehen entlang der U4 weiter und überqueren die Längenfeldgasse und den Bruno-Pittermann-Platz. An dessen Ende biegen wir links in die nach dem bedeutendsten Besitzer der Brauerei benannte Gierstergasse ein. Auch wenn wir jetzt schon das Ziel unserer Reise sehen können, müssen wir noch an das andere Ende der Gasse. Hier findet sich als Zusatz zum Straßenschild eine Erklärung zum Namensgeber und damit den einzigen Hinweis auf die Brauerei im Straßenbild.

 

Beschlossen wird der Abend im Giersterbräu, das außer dem Namen sonst keine Verbindung zur Brauerei hat. Jedenfalls können wir hier einem Motto des erwähnten berühmten Bewohners des Brauereiareals frönen: „A Gulasch und a Seidl Bier, das is ein Lebenselexier ... Jawohl!“


Quellen

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Gaudenzdorf_(Vorort)

https://de.wikipedia.org/wiki/Gaudenzdorf

https://de.wikipedia.org/wiki/Gaudentius_Andreas_Dunkler

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Brauhaus_(12,_Gaudenzdorf)

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Verzehrungssteuer

https://de.wikipedia.org/wiki/Oberd%C3%B6bling

http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/content/pageview/1827911

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wwz&datum=18720121&seite=2

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Josef_Leopold_Gierster

https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Leopold_Gierster

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18331230&seite=7&query=gierster

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18360330&seite=3&query=gierster

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18360206&seite=17&query=gierster

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18360604&seite=20&query=gierster

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18391227&seite=7&query=gierster

http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/26428 (ff)

https://www.geni.com/people/Anton-Holitscher/6000000009997003333

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=apr&datum=18690529&seite=6

http://brautopo.webnode.at/wien/

https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Gemeindebezirke

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Linienwall

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Linienkapellen

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Johannes-Nepomuk-Kapelle_%285,_Sch%C3%B6nbrunner_Stra%C3%9Fe%29

http://www.bezirksmuseum.at/default/index.php?id=612

http://www.georgdanzer.at/songs/gaudenzdorferguertel47.html

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Gaudenzdorfer_G%C3%BCrtel

http://www.georgdanzer.at/songs/gulaschundaseidlbier.html