Rustendorfer Brauhaus

März 2017

 

Jetzt habe ich krampfhaft versucht, eine Überleitung zum nächsten Brauhaus zu finden, aber leider gelingt das nur zum Teil: Vermutlich war Franziska Fürstin von Liechtenstein, die Witwe des vorletzten Brauherrn des Lichtentaler Brauhauses Alois‘ II., Besitzerin einer Villa in der Schönbrunner Straße 307 in Meidling. 1884 kaufte der uns schon gut bekannte Anton Dreher jun. das Areal und richtete dort das hauptsächlich seinem Bier gewidmete Vergnügungsetablissement Dreherpark ein (von Bierhalle und Biergarten existieren noch Ansichtskarten). Dieses bestand bis in die 1950er-Jahre, heute ist dort ein Autohändler. Ab 1921 hatte im hinteren Teil des Areals der Fußballclub Wacker seine Heimstätte, bis er 1971 mit der Admira fusionierte, die ich schon anlässlich des Besuches der Jedleseer Brauerei erwähnt habe. Mit dem nun zu besuchenden Rustendorfer Brauhaus hat das alles aber nur insofern zu tun, dass die Standorte beider Einrichtungen in fußläufiger Entfernung zu einander liegen. Deshalb beginnen wir nun lieber bei der Geschichte Rustendorfs.

 

Wappen Rustendorf
Quelle: Wikimedia Commons

Rustendorf, dessen Existenz bis ins Mittelalter nachgewiesen ist, wurde wie die ganze Gegend bei der Zweiten Türkenbelagerung 1683 verwüstet, erlebte aber im 18. Jahrhundert durch die günstige Lage an der Linzer Poststraße (heute Mariahilfer Straße) einen Aufschwung. Damals war der Ort hauptsächlich als Wirtshauskolonie bekannt. Das erste Gasthaus „Zum goldenen Reichsapfel“ entstand 1730, es war Namensgeber der Reichsapfelgasse, zu der wir gleich kommen werden. Das Hauszeichen des Wirtshauses „Zum goldenen Mondschein“ ist heute noch im Wappen des Bezirksteils verewigt.

 

Einem dieser Gasthäuser in Rustendorf Nr. 20 (heute Reichsapfelgasse 2) war auch eine Brauerei angeschlossen. Ab wann diese bestand ist schwer festzustellen. 1836 wird an der Adresse ein verstorbener Hausbesitzer Georg Mayer erwähnt, ob dieser bereits braute wissen wir nicht. Die folgenden Besitzer waren jedenfalls auch Brauherren bzw. -damen. Der Versuch einer Rekonstruktion:
ab 1836 Joseph Knaus
ab 1842 Barbara Knaus
ab 1845 Barbara Erdl (Erler)
ab 1852 Joseph Schmidt
ab 1857 Johann Schmidt
ab 1862 Michael Schmidt (zuvor schon Braumeister)

 

Inserat Wiener Zeitung 29. März 1850 Seite 25
Inserat Wiener Zeitung 29. März 1850 Seite 25, Quelle: ANNO/ÖNB

 

Über die genannten Personen und ihre Verwandtschaftsverhältnisse zu einander ist weiter nichts bekannt. Auch ein ununterbrochener Betrieb erscheint nicht gesichert. Feststellen lässt sich nur noch, dass sich später das Unternehmen auf die Häuser 18 und 19 ausgedehnt hatte.

Plan von Wien, Dominik Biller, Artaria & Co. Wien 1862
Plan von Wien (Ausschnitt), Dominik Biller, Artaria & Co. Wien 1862, rote Kennzeichnung eigene Hervorhebung, Quelle: Wienbibliothek im Rathaus, www.digital.wienbibiothek.at


1863 wird Rustendorf mit Braunhirschen und Reindorf zusammengeschlossen und zur Gemeinde Rudolfsheim. 1864 dürfte auch die Existenz der Brauerei enden, ein Rustendorfer Brauhaus, vermutlich nur noch als Lokal betrieben, findet sich jedoch noch bis 1872 in der Presse. Danach verlieren sich jegliche Spuren.

Lt. Wien Geschichte Wiki hat sich aber auch von Rustendorf eine mittelalterliche Siedlungsspur ... im Stadtbild nicht erhalten, genau genommen nicht nur keine mittelalterliche sondern überhaupt keine historische Spur. Nichts desto trotz machen wir jetzt unseren obligatorischen Rundgang. Wir beginnen an der U3-Station Johnstraße und wählen den östlichen Ausgang. Dieses Gebiet gehörte früher auch zu Rustendorf, war allerdings zu Zeiten der Brauerei noch nicht verbaut. Wir gehen ein Stück stadteinwärts und biegen rechts in die Kröllgasse, die nach dem letzten Bürgermeister der selbstständigen Gemeinde Rustendorf benannt ist.

An der Goldschlagstraße wechseln wir zwei Parallelgassen nach links und sind in der Holochergasse. Links sehen wir das ehemalige Kaiserin-Elisabeth-Spital, das aber erst 1890, also nach Schließung der Brauerei in Betrieb ging. Nach Überquerung der Felberstraße stehen wir vor dem breiten Bahnareal der Westbahn. Sie ging 1856, also noch zu Brauereizeiten, als Kaiserin-Elisabeth-Bahn in Betrieb und bildet seither eine Barriere auf den Weg ins Zentrum Rustendorfs. Erst 1900 wurde der vor uns liegende Rustensteg erbaut, den wir jetzt nutzen wollen. Am südlichen Ende sehen wir am wenig attraktiven Aufgang einen Schriftzug des Namens des Stegs und damit eine Erinnerung an den alten Ortsnamen.

Weiter geht es durch die Rustengasse, die ebenfalls an den Ortsnamen erinnert, bis wir zur Mariahilfer Straße kommen. Erwähnen möchte ich erstens, dass schon die nächste Parallelgasse stadteinwärts die Denglergasse ist, die wir schon bei der Besichtigung des Fünfhauser Brauhauses besucht hatten. Erwähnen möchte ich zweitens, dass sich ebenfalls stadteinwärts, in der Mariahilfer Straße 189-191, zeitgleich mit dem Brauhaus Schwenders Kolosseum befand. Es war zwar hauptsächlich für seine Bälle bekannt, es befand sich aber in dem weitläufigen Areal zeitweise auch eine Bierhalle, vielleicht wurde dort auch Rustendorfer Bier getrunken.

Schwenders Kolosseum um 1880
Schwenders Kolosseum um 1880, Quelle: Bildarchiv Austria/ÖNB

 

Wir wenden uns aber Richtung stadtauswärts. Das frühere Zentrum Rustendorfs befand sich zwischen Lehner- und Zollernsperggasse. Auf der anderen Seite der Mariahilfer Straße befindet sich der Schwendermarkt. Der einst große Markt besteht hier seit 1833 und ist somit zumindest als Institution ca. so alt wie die Brauerei.

Jetzt wollen wir auch noch ein paar bauliche Zeitzeugen des Brauhauses suchen. Wir gehen in die Braunhirschengasse, die, wie der Name verrät, streng genommen schon im Nachbarstadtteil liegt. Die Häuser Nr. 46-48 sowie Nr. 30 wurden bereits vor 1848 errichtet. Wir biegen nun rechts in die Oelweingasse. Ob das Haus Nr. 33 auch noch aus der Brauereiepoche stammt ist nicht sicher, jedenfalls wirkt es auch aus der Zeit gefallen.

Wir gehen nun links in die Reichsapfelgasse. An der Ecke zur Sechshauser Straße sind wir nun am anderen Ende Rustendorfs und endlich am Brauereigelände angelangt. Zu sehen ist hier aber leider nichts mehr.

Trotzdem gibt es in diesem Winkel der Vorstadt auch heute noch Bierkultur zu genießen. Dazu wandern wir die Sechshauser Straße zwei Busstationen stadteinwärts und finden in der Ullmannstraße 31 das Bierlokal Hawidere. Hier gibt es nicht nur 15 verschiedene lustige Fassbiere, sondern auch noch rund 100 Flaschenbiere. Wir haben Glück und am Abend unseres Besuchs ist gerade die Brouwerij De Molen zu Gast, die als verrückte Holländer vorgestellt werden.

Quellen

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Dreherpark_(12)

https://de.wikipedia.org/wiki/Franziska_Kinsky_von_Wchinitz_und_Tettau

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=mop&datum=18810216&seite=3&query=liechtenstein

https://de.wikipedia.org/wiki/Villa_XAIPE#Besitzer

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Rustendorf

http://brautopo.webnode.at/wien/

http://www.brauwesen-historisch.de/Oesterreichw.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Rustendorf

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18360801&seite=9&query=%22rustendorf+nr.+20%22

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18420801&seite=13&query=%22rustendorf+nr.+20%22

https://books.google.at/books?id=sY8AAAAAcAAJ&pg=PA316

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18521207&seite=28&query=%22barbara%2Berler%22

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18541004&seite=27&query=%22rustendorf+nr.+20%22

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18560327&seite=25&query=%22rustendorfer+brauhaus%22

https://books.google.at/books?id=cslcAAAAcAAJ&pg=&pg=PA36

http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/24883 (ff)

http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/content/pageview/344505

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=apr&datum=18650124&seite=9&query=rustendorf

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfp&datum=18650505&seite=11&query=%22rustendorf+nr.+20%22

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18491026&seite=20&query=%22rustendorf+nr.+18%22

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=osj&datum=18710817&query=%22rustendorfer+br%c3%a4uhaus%22&ref=anno-search&seite=4

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=mop&datum=18740819&query=%22rustendorfer+brauhaus%22&ref=anno-search&seite=3

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Schmelz

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Kr%C3%B6llgasse

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Kaiserin-Elisabeth-Spital

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Kaiserin-Elisabeth-Bahn

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Rustensteg

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Rustengasse

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Schwenders_Vergn%C3%BCgungsetablissement