Hintersee 3. Oktober 2010

 

Wenn die Zeit es zuließe, wollte ich noch einen Lauf wagen. Der Hintersee, ein relativ kleiner See, lag noch in der Nähe. Hier einmal extra herzufahren würde sich nicht auszahlen. Ich hatte mir den Fuschlsee relativ einfach zu laufen vorgestellt, immerhin gab es hier ja auch Laufveranstaltungen, war dann aber über den fast durchgängigen Traillauf überrascht. Der Hintersee hingegen hatte nach meiner Einschätzung hingegen zumindest ein relativ unzugängliches Ufer und ich erwartete mir dort eine ziemliche Kletterpartie. Aber die 5 km würde ich schon irgendwie schaffen.

 

Ich fuhr mit dem Auto die ca. 15 min zum Hintersee. Mein Navi leitete mich. Als mir die freundliche Frauenstimme ansagte, in die Tiefbrunnaustraße einzubiegen, musste ich schmunzeln. Im Lenkungsausschuss des Salzburger Verkehrsverbundes war die Tiefbrunnau, nach zahlreichen Schilderungen eines betroffenen Lenkungsausschussmitglieds, zum Inbegriff der mangelnden Bedienqualität im öffentlichen Verkehr geworden. Später wurden von ihm die Zustände im Nahverkehr in einer gleichnamigen Satire festgehalten. Allerdings ging es da weniger um den Verkehrsverbund, sondern vielmehr um das Verkehrsministerium, aber das ist eine andere Geschichte. Jetzt bei Sonnenschein wirkte die Tiefbrunnau auf mich jedenfalls überhaupt nicht kaffig sondern sehr lieblich.

 

Nach Faistenau sah ich von der Straße aus schon den See unter mir liegen. Ich entdeckte mal wieder keine geeignete Einstiegstelle, drehte wieder um, fuhr in den kleinen Ort Vodersee hinunter und fand dort zwar direkt zum See, aber keine Abstellmöglichkeit. Ich parkte daher das Auto ca. 200 m vom See entfernt auf einem Holzlagerplatz und startete hier meine Laufrunde. Am See zweigte nach einem kurzen Stück auf der Straße ein gut markierter Seerundweg ab. Dort gab es dann auch einen großen Parkplatz. Ich hätte nur lang genug suchen müssen.

 

Der Hintersee wäre eigentlich der richtige Schauplatz für die Nazigold Schatzjäger. Der Toplitzsee, der immer wieder als Versteck genannt wurde, war gewisser Maßen nur die Müllkippe der Nazis. Das Gold, ca. vier Tonnen, das aus Italien hergeschafft wurde, befand sich zuerst im Schloss Fuschl und wurde dann, als die Alliierten immer näher rückten, beim Hintersee vergraben. Von den Alliierten sichergestellt landete es zuerst bei der österreichischen Nationalbank, ehe es nach einer abenteuerlichen Geschichte mithilfe von Beweisen eines ehemaligen KZ-Häftlings wieder an Italien zurückgegeben werden konnte. Nur einige Säckchen Goldmünzen tauchten auf wundersame Weise in der Nähe des Hintersees immer wieder am Schwarzmarkt auf. Aber ich schweife ab.

 

Der Weg war nun, ganz gegen meine ursprüngliche Erwartungen, eben und breit. Nachdem die Seerunde auch nicht allzu lang und der Weg durchaus kinderwagentauglich war, waren jetzt am Sonntagvormittag viele Familien unterwegs. Die Aussicht auf eine sehr leichte Runde und das schöne Wetter beflügelten mich und ich lief viel schneller als es meine Wehwehchen eigentlich zuließen. Richtig schnell war es aber immer noch nicht. Ein paar Mal blieb ich stehen und machte Fotos, der See lag vollkommen spiegelglatt vor mir. Bei einer Fotopause überholte mich eine Läuferin in schwarz, was ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen konnte und daher gleich wieder zurück überholte. Bei den nächsten Fotopausen musste ich mich also tummeln, ewig wollte ich dieses Spiel nicht weitertreiben.

Hintersee

 

An einer Stelle führte ein Tor in den Fels hinein. Offensichtlich gab es hier irgendeine Form der industriellen Nutzung. An der Hinterseite des Hintersees, dort wo die Taugel, ja, so heißt der Bach, in den See mündet, öffnete sich eine weite Wiese. Hier sah man, dass der Wasserspiegel stark schwanken musste, es lag auch eine Unzahl angeschwemmter Baumstümpfe herum. Wie ich dann richtig kombinierte war der Hintersee auch einer der natürlichen Seen, der durch Stauhaltung zu einem künstlichen See wurde, so wie z.B. der Lünersee. Nur hier war eigentlich keine Staumauer zu sehen, ich weiß daher nicht so Recht, wie das Umweltbundesamt zu seiner Einschätzung gekommen war. Das Wasser wird lediglich unterirdisch abgenommen und in den Wiestalstausee geleitet.

 

Bei der Brücke über die Taugel musste ich kurz auf die Straße hinaus. Dann ging gleich wieder ein wunderschöner Seeweg weiter. Ich überholte wieder eine Läuferin in schwarz. Entweder waren die Fotopausen doch zu lang und ich erlitt gerade ein Déjà-vu oder jemand spielte Hase und Igel mit mir.

Hintersee

 

Nach einer Biegung kam ich wieder zum Ausgangspunkt der Seenrunde und lief die 200 m zum Auto zurück. Beim Umziehen der Schuhe merkte ich, dass sich ein komische Gefühl bei den Zehen, das mich seit einiger Zeit begleitet hatte, in jeweils einen kleinen Blutfleck am linken und am rechten Fuß entwickelt hatte. Die Zehennägel rechtzeitig kurz zu schneiden, kann also doch Vorteile haben. Bei geöffneter Heckklappe saß ich im Kofferraum, dampfte ab und jausnete dabei. Ein junger Papi mit Kinderwagen kam vorbei und grüßte wie selbstverständlich mit „griaß di“. Meiner Einschätzung nach war dies hier überhaupt eine der nettesten Gegenden, wo alle alle grüßten und per du waren. Wie schön kann die Welt sein!

 

Mittlerweile war es Mittag, ich hatte mein Laufprogramm abgewickelt und machte mich auf den Weg um meine Mutter abzuholen. Im Autoradio hörte ich die Band Unheilig: „... geboren um zu leben, mit den Wundern jener Zeit, sich niemals zu vergessen bis in alle Ewigkeit. Wir war'n geboren um zu leben, für den einen Augenblick, bei dem jeder von uns spürte, wie wertvoll Leben ist.“ Aufgrund eines viel zu frühen Todesfalles in der Verwandtschaft, der mir offensichtlich sehr zu Herzen ging, schluchzte ich hemmungslos vor mich hin. Sah mich ja keiner.

 

Damit waren 22 von 45 Seen umrundet, also gewissermaßen Halbzeit. Es hat sich ja wirklich schön entwickelt dieses Projekt.