Obertrumer See - Grabensee 9. Oktober 2011

 

Obwohl ich in diesem Jahr schon sehr fleißig war, wollte ich die Gelegenheit, die sich durch die jährliche Urlaubsfahrt meiner Mutter ergab, nutzen, um bei meinem Projekt weiter zu kommen. Mein läuferisches Training in diesem Jahr hatte ich mit dem Füssen-Marathon, den ich routiniert, aber sonst unspektakulär hinter mich gebracht hatte, im Juli abgeschlossen. Seither gab es nur noch wenige und keine langen Läufe mehr. Den Business Run lief ich zwar noch um eine Minute schneller als im Vorjahr, allerdings hatte ich damals auch nicht die besten Voraussetzungen (Fuschlsee). Und der Business Run ist mit 4,2 km ja auch nicht wirklich lang. Aber ein Halbmarathon, solang würde meine Runde ca. werden, ist immer noch gegangen.

 

Der Oktober begann mit traumhaftem Wetter und es hatte teilweise Temperaturen wie im Sommer, was heißt, wären nur die Sommer in Österreich immer so schön. Für das Ende der Woche wurde aber ein Wettersturz prognostiziert, was mich gar nicht freute. So ein Lauf um einen Salzburger See in der Herbstsonne ist doch ganz was anderes als bei nass-kaltem Wetter. Als ich dann am Samstag immer öfter das Wort „Schneefallgrenze“ hörte, unterbrach ich lieber meine gerade zu Hause laufenden Umbauarbeiten und zog vorsorglich noch schnell die Winterreifen auf. Danach ging es noch zum Vienna Night Run. Meine Frau hatte uns alle frühzeitig für diesen Benefizlauf angemeldet. Nachdem Conny und Felix aber die letzten Wochen mit Dauerhusten verbrachten, blieben nur Paula und ich übrig. Ich hatte keine Lust, schon wieder schnell zu laufen, so entschloss ich mich Paula zu pacen, was sie mir mit einer tollen Bestzeit dankte. Vielleicht sollte ich doch meine aktive Karriere beenden und mich als Trainer versuchen. Anschließend musste ich noch meine Laufutensilien für Salzburg packen, wollte ich doch am nächsten Tag um 5 Uhr raus, um alles unter einen Hut bringen zu können.

 

Ich hatte mich für den Salzburger Flachgau entschieden. Das war für die Anreise nach St. Wolfgang nur ein Umweg von einer knappen Stunde und ich konnte wieder zwei Seen umrunden und damit eine Ecke Österreichs abhaken, den Mattsee hatte ich ja schon. Auf der Westautobahn begann es zeitweise stark zu regnen, ich hörte im Verkehrsfunk ständig von Straßensperren wegen Lawinengefahr, das Thermometer kletterte auch kaum über 5 °C. Ich sah mich schon im Schnee, oder noch besser im Schneematsch und Regen durch die Landschaft stapfen. Aber dennoch würde das Salzburger Seenland an diesem Tag die bessere Wahl sein, als ein inneralpiner See.

 

In Obertrum steuerte ich zunächst das Ortszentrum an. Den See konnte ich da nicht finden, dafür aber die Brauerei. Irgendwie auch ein idealer Startort, hätte ich doch nachher gleich eine isotonische Zielverpflegung. Die Trumer Brauerei ist ja eine der wenigen, bei der die Bierwürze noch in offenen Gärbottichen vergoren wird, wie wir uns bei einer Besichtigung vor ein paar Jahren erklären ließen. Das offene Verfahren hat den Vorteil, dass unedle Substanzen abgeschöpft werden können und das Bier so eine besondere Milde bekommt. Gewässer haben für Brauereien auch eine besondere Bedeutung. Früher wurde das Brauwasser oft aus nahen Seen oder Flüssen geschöpft, was oft zu Nutzungskonflikten führte. Diesem Umstand soll auch das norddeutsche Tangermünder Kuhschwanzbier seinen Namen verdanken. Das Brauwasser der Trumer Brauerei kommt jedenfalls nicht aus dem See, sondern aus einem eigenen Tiefbrunnen. Aber ich schweife ab.

 

Nachdem Biertrinken ob des Autofahrens diesmal ohnedies nicht angesagt war, suchte ich nach einem anderen Startplatz. Das Navi brachte mich zum Parkplatz des Strandbads Oitner. Zum Glück hatte es nun zu regnen aufgehört, es war nur mehr kalt. Der Parkplatz war natürlich verwaist und ich konnte ungestört mit meinen Vorbereitungen beginnen. Ich überlegte zunächst ob ich über meinem heißgeliebten Unterleiberl und unter meiner Laufjacke ein Langarmshirt oder einen Microfasersweater anziehen sollte. Da mein Kreislauf aufgrund der langen Autofahrt aber noch immer im Keller und mir entsprechend kalt war, entschied ich mich, nachdem ich alle Varianten ausprobiert hatte, für beides. Handschuhe und Haube nahm ich auch mit. Das war zwar nun etwas übervorsichtig und nach den monatelangen kurz/kurz-Läufen reichlich ungewohnt, im Nachhinein betrachtet gab es aber zumindest ein paar windige Stellen, wo ich all das zumindest vertragen konnte.

 

Zu Beginn lief ich gleich mal den Parkplatz zur hintersten Ecke aus, um hier einen Ersatzort für das geschlossene WC zu finden. Danach ging es auf einem Radweg entlang der Straße weiter. Zum Glück findet man ja mittlerweile zumindest in den touristisch interessanten Gegenden, also in allen Seenregionen, dort wo die Ufer durch Straßen gesäumt sind, zumindest Radwege und damit auch für Läufer angenehme Bedingungen. Gleich begegnete ich auch einer Läuferin, überhaupt waren trotz früher Stunde und schlechtem Wetter etliche Läufer unterwegs. Bald zweigte ein Weg über Felder ab und kürzte die Route unter Vermeidung einiger Höhenmeter zur Mattseer Landstraße ab. Ich hatte mir für den Lauf nichts vorgenommen, wollte einfach nur ruhig laufen. Nach den Arbeiten in der Wohnung der letzten Tage und dem Night Run vor ein paar Stunden war aber auch das ruhige Laufen nicht ganz locker, das Genießen kam noch nicht ganz auf. Aber immer wieder gab es schöne Blicke auf den See und ich machte gleich ein paar Beweisfotos.

 

Obertrumer See

Relativ rasch kam die Ortseinfahrt von Mattsee in Sichtweite, womit ich das östliche Ufer des Sees abgelaufen hatte. Nun ging es von der Hauptstraße hinunter in eine nette Siedlung direkt am See. Ich freute mich schon auf das vermutlich schönste Stück der Runde um den Obertrumer See. Als wir 2003 das erste Mal in Mattsee waren, spazierten wir mit den damals noch recht kleinen Kindern über den Wartstein. Dieser Hügel schiebt sich vom Ort Mattsee in den Ober­trumer See. Direkt über dem Felsabsturz steht eine der Hl. Anna geweihte Kapelle, darunter führt eingekeilt zwischen See und Felsen ein schmales Wegerl vorbei. Dieses sollte ich jetzt wieder treffen. Gleich danach saßen ein paar Fischer bei einem offenen Feuer und frühstückten. Das sah so gemütlich aus, dass ich gleich Lust bekam, mitzuessen. Leider war dieses Stück diesmal viel schneller vorbei, als ich es damals bei der Wanderung mit den Kindern in Erinnerung hatte.

 

Nun wusste ich nicht, ob ich nach Mattsee hineinlaufen musste oder einer Seitenstraße folgend näher am See bleiben konnte. Ich entschied mich für die Seitenstraße und stellte nach ca. 50 m fest, dass es eine Sackgasse war. Dieser Umweg sollte mir aber am Ende noch ein Erfolgserlebnis bescheren. Also drehte ich um und lief die andere Straße weiter, unter der Mattseeumfahrung, die hier gerade wieder aus dem Tunnel durch den Wartstein hervortrat, durch und kam bald an die Laufstrecke, die ich schon beim Mattseelauf gelaufen war. Die drei Seen der Salzburger Seenplatte liegen hier ja so nahe beisammen, dass man einzelne Stücke doppelt belaufen muss, um alle Seen einzeln zu umrunden. Ich kam nun wieder an die Mattseer Landstraße und lief am begleitenden Radweg weiter. Nun war links der Obertrumer See und rechts der Mattsee zu sehen. Nach der Brücke über den Verbindungskanal der beiden Seen kam ich zur Kreuzung wo ich nun links abbiegen musste, um den Obertrumer See zu folgen.

 

Auch hier gab es einen begleitenden Radweg. Bei einer Allee mit Birnbäumen stand ein Schild, das vor verschmutzter Fahrbahn warnte. Die Straße war zwar sauber, aber der Radweg war über und über mit abgefallenen überreifen Birnen übersät. Offensichtlich machte sich niemand mehr die Mühe aus diesen Birnen zumindest Most zu machen, wenn schon nicht Birnenbrand. Statt sie zu ernten wurden einfach Warnschilder aufgestellt. Beim Zellhof unterbrach ich meine Obertrumer-Seen-Runde und begann die Runde um den Grabensee. Auch hier würde ich ein Stück von knapp 1 km nach Fraham doppelt laufen müssen, um jeweils geschlossene Runden um die einzelnen Seen zu erhalten. Es war mir von Anfang an klar, dass eine Runde, die beide Seen umschließt, aber nicht alle Ufer belaufen würde, nicht gelten konnte. Um nicht plötzlich während meines Laufs umdrehen zu müssen entschied ich mich, um Obertrumer und Grabensee einen Achter zu laufen.

 

Vom Zellhof ging es zuerst ein wenig bergab und ich konnte bald den ersten Blick auf den Grabensee werfen. Der Grabensee war für mich bisher eher unspektakulär gewesen, das einzige was mir dazu einfiel war, dass er eben einer der drei Seen der Salzburger Seenplatte ist. Ich hatte ihn mir eher wie ein Sumpfloch vorgestellt bis ich zur Vorbereitung auf die Runde auf Google Earth schon einmal herumgelaufen war und mir dabei dachte, das könnte doch ganz schön werden. Der erste echte Blick bestätigte das. So ähnlich mag es auch dem in Obertrum lebenden Schriftsteller Walter Kappacher gegangen sein. Vielleicht kennt man ihn nicht, aber immerhin ist er Gewinner des Georg-Büchner-Preises 2009. Durch einen besonderen Blick auf den See aufgerüttelt hat er sich jeden Tag aufgemacht, um die Stimmung am Grabensee zu fotografieren. Allein darüber, eine unscheinbare Bucht am Grabensee im Winter, hat er dann einen ganzen Fotoband herausgebracht. Es gibt wohl keine Grenzen, in welcher Intensität man sich einer Sache hingeben kann. Aber ich schweife ab.

 

In Fraham bog ich nun endgültig von der Obertrumer-See-Runde ab und lief auf der Straße Richtung Gransdorf. Hier gab es wie erwartet weder einen begleitende Fuß- noch Radweg, das Verkehrsaufkommen war aber ohnedies sehr gering. Nach einem kurzen Stück auf der Straße sah ich rechts einen neu angelegten Weg Richtung See führen. Obwohl der auf meiner Karte nicht eingezeichnet war, lief ich ihn, da er so einladend aussah. Bald schwenkte er aber wieder zurück zur Straße und verlief nun immer in ihrer Sichtweite.

 

Grabensee

Es war zwar schöner zu laufen, die paar Steigungen waren aber nicht so gleichmäßig wie auf der Straße trassiert, was das ganze etwas anstrengender machte. Hier lagen nun unzählige Eicheln und Bucheckern auf dem Weg und obwohl dieser frisch asphaltiert war kam es mir vor wie auf grobem Schotter zu laufen. Kurz vor Gransdorf kam ich aus dem Wald und sah auf einer Weide schottische Hochlandrinder stehen. Gleich dachte ich mir wieder, das wäre ein nettes Fotomotiv. Überhaupt bin ich in letzter Zeit bei meinen Seerunden vom Läufer eher zum Fotoreporter geworden. Vor mir blieb ein Autofahrer stehen und machte sich auch daran ein paar Fotos zu schießen. Es kam ihm sicher komisch vor, dass sich neben ihn ein Läufer stellte, aus seiner Bauchtasche einen Fotoapparat fingerte und ebenfalls auf Motivjagd ging. Das besondere an der Weide waren ein paar ganz junge Highlander, die es uns beiden angetan hatten.

 

Am Grabensee

Danach führte der Weg auf kleinen Sträßchen weiter und kreuzte eine Zufahrt zu einem Seebad mit Campingplatz. Ich sah eine neue Reihenhausanlage, die Häuser hatten große Panoramafenster mit Blick auf den See, hier waren die örtlichen Gegebenheiten ideal ausgenützt. Bald konnte ich auch von dieser Straße runter und lief nun auf Feldwegen weiter. Aufgrund des Wetters der letzten Tage war dies nun eine herrliche Gatschpartie. Ich stellte mir vor, wie es sein müsste, jetzt in den Traktorspuren auszurutschen und dann vollgesudelt weiter rennen zu müssen. Ich kam wieder an einem mit Wohnwagen vollgestellten Campingplatz vorbei und lief über ein kleines Brückerl über die Mattig in einen Wald hinein.

 

Nun traf ich auf eine Forststraße, die mich schnurgerade zum Zellhof zurückführen sollte. Trotzdem schaute ich bei einer Kreuzung sicherheitshalber auf die Karte. Nach rechts gab es nur einen kleinen Umweg zum See. Ich wollte schon die Direttissima weiterlaufen, ehe ich mich besann, warum ich denn eigentlich da war: „Hier gibt es einen seenahen Weg, na hallo, den musst du schon laufen!“ So verließ ich die Forststraße und lief ein kleines Stück einen Wurzelpfad weiter. Belohnt wurde ich durch einen wunderschönen Aussichtspunkt auf den See, der mich jubeln ließ. Beim Weiterrennen kreuzte noch ein Reh meine Bahn und ich hatte nach einem Eichkätzchen auf der Autobahn die zweite Tiersichtung an diesem Tag. Kurz darauf war ich wieder auf der Forststraße. Vor dem Zellhof trat der Weg aus dem Wald und führt über eine Alle weiter. Auf der Kuppe vor dem Zellhof blieb ich kurz stehen. Hier hatte ich einen Blick auf alle drei Seen, den Mattsee, den Obertrumer See und den Grabensee.

 

Jetzt lief ich das zweite Mal hinunter nach Fraham, nun aber offiziell auf der Obertrumer Runde. Dort ging es zunächst durch den Ort, ehe ich an der Landstraße wieder auf einem Radweg laufen konnte. An einer Weide am Ortsrand stand ein Bankerl. Die Weide war mit einem elektrischen Weidezaun gesichert. Dieser wurde um das Bankerl herumgeführt, damit der müde Wandersmann, die müde Wandersfrau es noch nutzen konnte. Dadurch musste für den Bankerlsitzer der Eindruck entstehen, statt an einem Aussichtspunkt in einem durch Stromfallen gesicherten Gefängnis zu sein, was mir als eine minder durchdachte Lösung vorkam. In Seeham wechselte ich vom Radweg auf einen Gehsteig. Danach führte die Straße etwas abseits des Sees weiter. Es gab zwar immer wieder Wege hinunter zum Wasser. Mir war aber nicht klar, ob ich dort auch entlang des Sees weiter laufen konnte, oder ob dies alles nur Sackgassen zu den netten Anwesen waren. Da ich mittlerweile doch schon etwas erschöpft war, ließ ich mich darauf nicht mehr ein.

 

Nun wollte ich noch mein letztes Flascherl trinken. Nach den Reparaturarbeiten Connys hatte ich den Trinkgurt insofern im Griff, dass ich keines der Flascherl mehr verlor. Nun war das nächste Hoppala passiert. Den Trinkverschluss eines Flascherls hatte ich offensichtlich schlecht geschlossen. Durch die hüpfenden Bewegungen war nun das Meiste aus der Flasche herausgespritzt. Die Jacke hatte einen großen nassen Fleck, da es aber ohnedies leicht nieselte war mir das nicht weiter aufgefallen. Nur gut, dass ich eh nicht mehr weit hatte. Nun war ich doch schon etwas müde. Kurz vor Obertrum lief ich noch durch den Ortsteil Staffl. Ich musste schmunzeln, war ich doch nun allein einen „Staffl-Halbmarathon“ gelaufen. Das genaue Nachmessen der Strecke zu Hause ergab, dass ich nur aufgrund des falschen Wegs in Mattsee und des spontanen Umwegs am Grabensee tatsächlich knapp über die Halbmarathondistanz gekommen war. Das war mir nun viel lieber als wenn ein paar Meter gefehlt hätten.

 

Am Parkplatz angekommen vergaß ich, obwohl ich mich so darauf konzentriert hatte, zunächst die Stoppuhr neu zu starten, um anhand der Beginnzeit die Brutto-Netto-Differenz meiner Laufrunden messen zu können. Also ging ich die Runde, die ich seither zum Verschnaufen gegangen war noch einmal ab, um festzustellen, dass ich ca. 1 min zu viel gestoppt hatte. Mit einer Nettozeit für den Halbmarathon von 1 h 55 war ich für lockeres Laufen recht zufrieden, mit 2 h 11 brutto eher weniger. Welche Zeit spiegelt jetzt die sportliche Leistung besser wider?

 

Inzwischen hatte ich genug abgedampft und es begann mich zu frösteln. Schnell zog ich mich um und wusch mir zumindest mit ein paar Hand voll Wasser das Gesicht. Dadurch wich nun das letzte Restchen Durchblutung aus meinen Händen und sie sahen erschreckend weiß aus. Im Auto drehte ich gleich die Heizung auf volle Stärke. Nach einem Saunagang bis St. Wolfgang war mir wieder einigermaßen warm. Bei der Rückreise über die Pötschenhöhe kam ich an diesem Tag nun doch noch in eine tief winterliche Landschaft.