Zicksee - Lange Lacke 21. Juni 2011

 

Ich hatte auf einer Tagung in Eisenstadt einen Vortrag zu halten. Etwas was ich nicht so wahnsinnig oft mache und was mir daher ein wenig Unwohlsein verursachte. Irgendwann beschloss ich dann für mich, mir dadurch nicht die ganze Zeit versauen zu lassen, sondern das Unangenehme einfach durch die Vorfreude auf weitere Seenläufe zu überdecken. So bereitete ich parallel Powerpointfolien und Landkartenauszüge vor und die Ablenkung funktionierte tatsächlich.

 

Im Burgenland hatte ich neben dem Neusiedler See (ein bisschen zu lang für gerade so nebenbei) nur noch den Zicksee und die Lange Lacke zu umrunden. Da beide nicht allzu groß sind und praktischer Weise gleich nebeneinander liegen, entschied ich mich wieder einmal für eine Doppelumrundung.

 

Die Tagung verlief für mich recht erfolgreich, nur ein gewisser Professor verursachte bei allen Anwesenden ständig Kummer. Nachdem ich meinen Part abgearbeitet hatte verließ ich die Veranstaltung und machte mich von Eisenstadt auf in den Seewinkel. Somit umrundete ich auch fast den ganzen Neusiedler Sees, ich war überrascht, dass ich dafür selbst mit dem Auto mehr als eine Stunde brauchte.

 

Ich hatte vor, meinen Lauf von St. Andrä am Zicksee in Angriff zu nehmen. Erstens hatte ich beim dortigen Seebad entsprechende Infrastruktur und zweitens war mir, da ich ja durch den Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel laufen wollte, nicht klar, wo ich sonst noch mit dem Auto zufahren könnte. Somit würde aber wieder, ähnlich wie beim ersten Doppelpack Oberer Stinkersee – Zicklacke, die Umrundung des ersten Sees durch die zweite Seenrunde unterbrochen werden. Das ist zwar unschön, die Alternative, irgendwo am Verbindungsstück zu starten, gefiel mir jetzt aber auch nicht, weil dann würde ich mitten in der „Runde“ bei meinem Ausgangspunkt vorbei kommen und was wäre denn dann das wieder für eine Runde ...

 

Etwas overdressed reiste ich zu dieser Seenumrundung im Anzug an, den ich jetzt möglichst knitterfrei im Auto gegen das Laufgewand wechseln musste. Ich füllte meinen Trinkgurt. Ich hatte auch eine Kappe mitgenommen, da ich doch schattenlos laufen musste. Andererseits sah ich schon einige schwarze Wolken aufziehen und befürchtete, dass die Kappe einem allfällig aufziehenden Wetterwind nicht standhalten würde. Als Kind war ich einmal mit meinen Eltern am Zicksee und wir waren damals sehr überrascht, dass die plötzlich ausbrechende Hektik am Campingplatz angesichts einiger harmloser Wolken am Himmel nicht unbegründet war, denn innerhalb von wenigen Minuten war der blaue Himmel einem Gewittersturm gewichen. Dennoch ist der Zicksee ein nettes Badegewässer. Gespeist wird er durch Grundwasser, dem schon 1928 Mineralwasserqualität attestiert wurde. Im Bodenschlamm finden sich Schwefel, Glaubersalz und Natriumkarbonat. Letzteres gab dem See auch seinen Namen. Natriumkarbonat oder Soda heißt auf Ungarisch „szik“. Wem diese heilbringende Wirkung des Wassers nicht genügt kann sich seit Kurzem auch in der nahen St. Martins Therme vergnügen. Naturerlebnisse sind hier auf, na sagen wir, etwas dekadentere Art zu genießen. Zwischen 15:30 und 16:30 Uhr wird im Außenbecken mit Glühwein und Audioerklärung die Beobachtung des sogenannten Gänsestrichs, des täglichen geordneten Rückflugs der Gänse von ihren Nahrungsgründen zu den Schlafplätzen, angeboten. Pendeln hat im Burgenland offensichtlich Methode. Aber ich schweife ab.

 

Ich entschied mich also die Kappe im Auto zu lassen, etwas was sich noch als Fehler herausstellen sollte. Ich lief Richtung besagtem Campingplatz weg und musste schon nach 500 m auf die Karte schauen, um den Weg durch die Siedlung zu finden. Nach einigem hin und her kam ich endlich auf eine Straße die vom Ort wegführte und an der ich mich orientieren konnte. Nach einem Kilometer bog ich wieder auf einen Feldweg ab. Hier musste ich jetzt noch genauer Landschaft und Karte lesen. Anders als z.B. bei meiner Weißenseerunde war die Streckenführung hier nicht automatisch durch eine Tallage vorgegeben. Es war einfach alles eben, es gab keine Wegmarkierungen und auch der See war inzwischen weit entfernt und nicht mehr zu sehen. Der Weg wurde bald immer schlechter, ich lief nun durch kniehohes Gras wodurch ich die Unebenheiten der Traktorspuren nicht mehr sehen konnte. Das Laufen machte so relativ wenig Spaß, noch dazu spürte ich noch die Nachwirkungen eines 10 km Wettkampfes (Retzer Weinbergelauf) vom Wochenende.

 

Bald kam ich zu einer Tafel, die den Zutritt untersagte. Ich nahm einfach an, dass das nicht für den Weg, sondern für das angrenzende Grundstück galt und lief weiter. Immerhin wäre es aber eine Erklärung gewesen, warum es hier keine Wegmarkierungen mehr gab. Einen notwendigen Schutz irgendwelcher Brutgebiete, konnte ich keinen erkennen, den hätte ich schon respektiert. Mir war andererseits aber auch nicht klar, wie ich ohne weiter zu laufen aus dieser Pampa wieder raus kommen sollte. Nach ein paar Kurven kam ich wieder auf einen breiteren Feldweg und fühlte mich wieder wohler.

 

Nun sah ich wieder Wasser, allerdings nicht den Zicksee, sondern die Auerlacke (Nr. 147 auf meiner Seenliste), die ich mitumrunden musste, weil ich keinen seenäheren Weg fand. Ich machte einmal ein paar Fotos, das waren zwar noch keine Beweisaufnahmen für den Zicksee, aber dieses endlose Weite faszinierte mich trotzdem irgendwie. Ein weiteres Gewässer an dem ich vorbeikam war die Kühbrunnlacke (Nr. 145), diese lag aber außerhalb der Runde. Von weitem sah ich einen überdimensionalen Rasensprenger, der die Felder wässerte. Da musste ich dann auch vorbei und wurde mit dicken schweren Tropfen etwas gekühlt. Danach lief ich für ein kurzes Stück wieder auf einer Straße.

 

Nach ein paar Metern konnte ich in einen Güterweg abbiegen. Ich war schon sehr froh, dass ich hier ein bisschen Schatten fand, als ich mich auf der Karte orientierte und das erste Flascherl meines Trinkgurts leerte. Bald kam ich wieder an eine Lacke, die Sechsmahdlacke (oder auch Freiflecklacke Nr. 110, innenliegend). Fälschlicherweise las ich auf meiner Karte „Sechsmadl-Lacke“. Der nächste Orientierungspunkt war die Reihersiedlung. Da las ich die ganze Zeit „Reihenhaussiedlung“. Offensichtlich leidete mein Gehirn schon ein wenig an Überhitzung. Die Reihersiedlung lag zwar wieder am Zicksee, von der Straße konnte ich den See aber noch immer nicht sehen.

 

Kurz darauf hatte ich die Zickseerunde zu unterbrechen und lief das Verbindungsstück zur Langen Lacke, das nur etwas länger als ein Kilometer war. Ich traf auf ein Schild, das einen Rundweg um die Lange Lacke markierte. Orientierungsprobleme sollte ich nun keine mehr haben. Hier war ich nun am schönsten Stück meines Laufs. Ein schön angelegter Weg, der sich durch eines der Kerngebiete des Nationalparks schlängelte, immer schön am See entlang gewissermaßen als vogelkundlicher Lehrpfad. Ich kam durch die verschiedensten Brutgebiete, Informationstafeln gaben näher darüber Auskunft. Ich hatte zwar keine Zeit zu lesen, ich merkte es aber immer am wechselnden Gekreische und Gezwitschere.

 

Hier waren auch viele Vogelbeobachter unterwegs, etliche Fotografen krochen mit langen Objektiven im Uferbereich herum, auf der Jagd nach seltenen Pflanzen. Bei Beobachtungstürmen machte ich immer eine kurze Pause um ein Foto aus erhöhtem Standort zu bekommen. Auch hier waren gelegentlich Beobachtungspositionen eingerichtet – mir kam das stundenlange Warten dieser Hobbyornithologen auf den besonderen Vogel mindestens genauso komisch vor, wie diesen Leuten mein Durchhetzen durch den Nationalpark. Nun kam ich auch noch an den Wörtenlacken vorbei (Nr. 46, außenliegend). Diese Lacke hat es also nur ganz knapp nicht in meine Liste geschafft. Wenn ich hier alle Lacken getrennt umrunden hätte müssen, müsste ich von meiner heutigen Laufrunde das meiste doppelt rennen, weil es teilweise zwischen den Seen nur einen möglichen Weg gab. Die Wörtenlacken bestehen, vermutlich je nach Wasserstand, aus mehreren Teilen. Ich war mir hier nicht einmal sicher, ob wirklich alle Teile der Wörtenlacken außerhalb der Runde lagen. Trotz eifriger Abgrenzungsbemühungen konnte ich hier keine eindeutige Trennung zwischen Lange Lacke und Wörtenlacken finden. Ich nahm einfach an, dass der Weg die Grenze zwischen den beiden Gewässern darstellt.

 

Ursprünglich hatte ich mir noch überlegt, als Longjog vielleicht noch spaßhalber eine Runde um den Darscho (Nr. 50), oder eventuell noch die Neubruchlacke (Nr. 299) und die Fuchslochlacke (Nr. 54) einzubauen. Angesichts der Überhitzung der ich mittlerweile ausgesetzt war, verschwendete ich nun keinen Gedanken mehr daran. Ich war froh, jetzt hier irgendwo den Umkehrpunkt bei meiner Lange-Lacke-Runde zu schätzen und endlich zurück laufen zu können.

Lange Lacke

 

Inzwischen hatten sich am Horizont schwarze Wolkentürme aufgebaut und ich sah gelegentlich auch, wie einzelne Regenvorhänge daraus niedergingen. Aber es war noch relativ windstill und die Wetterlage daher stabil. Die Hitze würde mir also weiter erhalten bleiben. Aber durch die Wolkenstimmung erhielt die Landschaft noch einen zusätzlichen Reiz.

 

Ein weiterer Reiz war auch die Tatsache, dass ich mich hier ganz in der Nähe zum tiefsten Punkt Österreichs befand. Dieser liegt im Gebiet Hedwighof bei Apetlon, misst 114 m über Adria und war von meiner Laufstrecke nur etwas mehr als 2 km entfernt. Besuchen wollte ich ihn jetzt trotzdem nicht. Den höchste Punkt der Republik (Großglockner 3.798 m) sollte spätestens seit der Volksschule jeder Österreicher kennen. Der tiefste Punkt ist aber weitgehend unbekannt. Teilweise gab es dazu auch verschiedene Angaben und befand sich an den verschiedensten Orten irgendwo im Seewinkel. Jetzt ist er aber offiziell vermessen und Apetlon hat das Glück, diese Besonderheit touristisch vermarkten zu können. Neusiedler See und Oberer Stinkersee sind zwar mit 115 m die am tiefsten gelegenen Seen, die Lange Lacke liegt aber dem tiefsten Punkt Österreichs am nächsten. Aber ich schweife ab.

 

Jetzt zog es sich schon ein wenig. Ich hatte inzwischen meinen Trinkrhythmus etwas höher gestellt und musste nun aufpassen, nicht zu viel Wasser zu verbrauchen. Zum Glück kam wieder ein Aussichtspunkt und ich konnte eine kurze Pause machen. Ich kämpfte mich weiter. Am Ende der Langen Lacke hatte ich noch die Möglichkeit, ganz am Ufer die Runde zu schließen, oder gleich etwas schräger sofort Richtung Ziel zu rennen. Ich entschied mich für letzteres und hatte an der oben erwähnten Lange-Lacke-Rundweg-Tafel die Umrundung beendet. Ich nützte das gleich wieder für eine Pause und suchte mir ein Stück Schatten um mein letztes Flascherl zu trinken.

 

Jetzt war es schon sehr mühsam. Ich lief das Verbindungsstück wieder zurück und bog vor der Reihersiedlung ab, um die Zickseerunde zu vollenden. Nun würde ich endlich direkt das Zickseeufer erreichen. Ich nahm das sofort wieder als Ausrede um stehen bleiben zu können und nun die Zickseefotos zu machen. Irgendwie praktizierte ich also einen Lauf nach der Galloway-Methode, schneller werden durch Gehpausen. Die letzten eineinhalb Kilometer bis zu meinem Ausgangspunkt lief ich an der wunderschönen Seepromenade aber dann doch durch.

 

Zicksee

Zurück beim Auto leerte ich mal meine Wasserreserven, ich fand auch noch ein volles Trinkflascherl in meinem Gurt, irgendwie hatte ich in der Hitze den Überblick über meine Wasservorräte verloren. Nun nutze ich den Vorteil der Seebadinfrastruktur, zog mir die Badehose an, und schwamm im seichten Wasser hinaus, bis ich einigermaßen wieder abgekühlt war. Nach dem ich wieder gesellschaftsfähig gereinigt und umgezogen war, holte ich mir im Strandbad noch meinen Nachmittagskaffee und einen Kuchen und genoss den Blick auf den See, bevor ich mich wieder auf die Heimreise machte.

 

Zicksee

Die Auswertung meiner Pulsuhrdaten zeigte dann, dass ich bei Temperaturen bis zu 36 °C herumgelaufen war. Auch wenn diese Messung nicht unbedingt die genaueste ist, bestätigte es mir doch, dass es an diesem Tag sehr, sehr heiß war.