Ossiacher See 20. Juli 2012

 

Seit meinem letzten See waren schon mehr als neun Monate vergangen, Zeit wieder eine Umrundung ans Licht der Welt zu bringen. Da kam der Ossiacher See Nachthalbmarathon gerade Recht. Er findet an einem Freitagabend statt. Conny musste arbeiten und hatte sowieso gewisse Kärntenvorbehalte (Wörther See). Den Kindern wurde in den Ferien schon fad, also beschloss ich, mir einen Tag Auszeit zu nehmen und mit den Kindern nach Ossiach zu fahren. Ich laufe um den See, die Kinder beim 7 km Volkslauf.

 

Dann kam für Paula eine überraschende Einladung von ihrer Tante nach Paris. Was soll ich sagen, Disneyland sticht Ossiach. Und wir waren nur noch zu zweit. Das waren Felix und ich schon gewohnt. Im Juni fuhren wir, während die Damen in Wien am Frauenlauf teilnahmen, nach Kroatien, wo ich den Plitvice Marathon lief und Felix beim 16-km-Lauf. Im Nationalpark Plitvicer Seen gibt es zwar neben vielen kleinen auch zwei Seen, die groß genug wären umrundet zu werden (Kozjak mit 81,5 ha und Prošćansko jezero mit 68 ha). Die Streckenführung bot aber keine „richtigen“ Seenumrundungen, weil einfach das ganze Nationalparkgebiet weitläufig umlaufen wurde. Trotzdem ist Marathonlaufen an den Seen natürlich toll. Leider büßte ich auf ca. 630 hm meine Sünden ab und es wurde dadurch fast logisch meine schlechteste Marathonzeit ever.

 

Aber zurück zum Ossiacher See. Durch Paulas Absage war nun ein Startplatz und ein Bett frei geworden. Nach einigen hin und her verschoben wir unsere Abreise auf Mittag, Conny konnte zumindest Vormittag noch arbeiten und dann Paulas Platz einnehmen.

 

Der Halbmarathon war natürlich nicht mein eigentliches Ziel. Start war in Bodensdorf, Ziel am Vis-à-vis-Ufer in Ossiach. Damit würde ein Stück der Umrundung fehlen. Ich hatte nun zwei Möglichkeiten: Entweder einen flotten Halbmarathon laufen und nachher halbtot die Runde fertig laufen. Oder zuerst das fehlende Stück laufen und dann mit dem Besenwagen raufen. Die kürzeste Runde um den See wäre etwas länger als 26 km gewesen. Von Bodensdorf nach Ossiach über das Westufer sind es ca. 16 km. Um auf eine Halbmarathondistanz zu kommen, wurde daher in Bodensdorf zuerst 2 km in die Gegenrichtung und dann erst Richtung Westufer gelaufen. Zusätzlich gab es noch eine Schleife in Ossiach. Am Halbmarathon im Rahmen der Umrundung teilzunehmen hätte mir also insgesamt einen 31 km Lauf gebracht.

 

Die Wettervoraussage stimmte mich auch nicht besonders froh. Es war zwar die letzten Tage recht sommerlich gewesen, für Freitag war jedoch ein Wetterumschwung mit Regenwahrscheinlichkeit von an die 100% vorausgesagt worden. Ist es schon nicht lustig, einen Halbmarathon in strömenden Regen zu laufen, so wäre es noch unlustiger, vor dem Halbmarathon 10 km im Regen einzulaufen und dann durchnässt auf den Start zu warten. Da wäre dann die Variante, zuerst Halbmarathon und dann nach dem Ziel ohne Pause weiter laufen vielleicht angenehmer. Dazu müsste ich aber vorher mit dem Auto an den Start fahren, um nachher wieder zurück zu kommen. Es gäbe auch noch die Möglichkeit, wie alle mit dem Schiff von Ossiach zum Start zu fahren und mich dann von Conny holen zu lassen. Diesfalls würde es genügen, nur bis zum Umkehrpunkt zu laufen und ich könnte mir 2 km sparen. Bald wurde mir das ständige herumüberlegen aber zu viel und wir beschlossen einfach, alles vom Wetter abhängig zu machen.

 

Ossiacher See Nachthalbmarathon

In Kärnten angekommen herrschte strahlender Sonnenschein. Wir bezogen unser Hotel gleich in der Nähe des Zielgeländes und holten die Startunterlagen. Das Ummelden von Paula auf Conny ging problemlos und „ausnahmsweise“ auch ohne Zusatzkosten, wir sollten es halt nur nicht weiterverraten – ups.

 

Dann gingen wir noch eine kleine Runde zum See, zum Stift sowie in ein nettes Kunsthandwerkgeschäft und machten ein paar Beweisfotos. Bald freute mich das Sightseeing aber überhaupt nicht mehr und ich drängte zurück zum Zimmer um mich auf den Lauf vorzubereiten. Da das Wetter noch schön war, entschied ich mich das auszunützen und gleich vorher zum Start zu laufen. Damit wäre mit dem Zieleinlauf alles erledigt und es war mir plötzlich ganz klar, dass das die richtige Variante sei.

 

Ossiacher See

Um 18 Uhr gingen wir zum Startgelände. Conny und Felix nahmen den ersten Shuttlebus zum Start des Volkslaufes in Heiligengestade. Ich verabschiedete mich und begann meine Seenrunde. Bis zum Start des Halbmarathons um 19:15 hatte ich jetzt genug Zeit. Am Anfang sah ich noch einige Läufer, die sich vor dem Transfer in Ossiach einliefen. Bald aber war ich allein und fand es lustig, hier einsam mit Startnummer herum zu rennen. Die Strecke führte zwar direkt an der Landesstraße, durch einen begleitenden Geh- und Radweg war es aber problemlos zu laufen. Direkt ans Seeufer kam ich nirgends, aber es gab immer wieder schöne Ausblicke.

 

Um nicht schon dehydriert am Start zu stehen, hatte ich mir eine Wasserflasche mitgenommen. Grundsätzlich finde ich es sehr unangenehm mit etwas in der Hand zu laufen und ich wechselte immer wieder von Hand zu Hand, um nicht einseitig zu werden. Auf den Trinkgurt wollte ich aber verzichten, da ich den beim Wettkampf nicht brauchen würde. Es war noch immer sehr schwül und ich trank nicht wie sonst üblich jede halbe Stunde, sondern alle 15 min.

 

Nach Alt-Ossiach bog ich links ab und lief auf der Straße durch das Bleistätter Moor, das am Hauptzufluss des Sees, dem Triebelbach liegt. Im Verhältnis zur Größe des Sees ist dieser Hauptzufluss eigentlich nur ein kleines Rinnsal. Hier musste ich direkt auf der Straße laufen musste. Sie war schnurgerade und die Autos demnach relativ flott unterwegs. Es gab aber nur wenig Verkehr und es war daher nicht so schlimm. Nach 1,5 km bog ich auf den Uferweg ein, ein verkehrsarmes Nebenstraßerl neben der Bahn. Hier ging es angenehm zu laufen und ich konnte die Bundesstraße meiden.

 

Bald kam ich an einem futuristischen Bau vorbei, der mir sofort auffiel. Es handelte sich um das sogenannte Steinhaus des Architekten Günther Domenig. Von den Anrainern zuerst Ungetüm genannt, ist es nun internationales Vorzeigeprojekt, Architekturzentrum und Veranstaltungsort. Mittlerweile war die Sonne hinter der Gerlitzen verschwunden und es wurde kühler. Trotzdem schwitzte ich noch immer kräftig. Nach weiteren zwei Kilometern kamen mir wieder Läufer entgegen. Diesmal waren es Aufwärmer auf der anderen Seite des Sees und ich kam mir mit meiner Startnummer nicht mehr so seltsam vor. Bald erkannte ich die Stelle, wo der Halbmarathon später vom Uferweg zur Bundesstraße abbiegen würde. Hier musste ich jetzt eigentlich nicht mehr laufen, weil ich auch so eine geschlossene Laufrunde um den See erreichen würde. Da ich Zeit genug hatte, ging ich den letzten Kilometer, um so zumindest einigermaßen frisch am Start zu stehen.

 

Im Startgelände im Park am See gab es die Infrastruktur, die ich jetzt brauchte. Am WC holte ich mir noch insgesamt einen Liter Wasser. Gemeinsam mit über 400 anderen Läufern wartete ich auf das Startsignal. Ich war gespannt wie es mir jetzt auf den nächsten 21 km gehen würde, trainiert hatte ich ja nach dem Marathon nichts mehr. Über den See hinweg sah ich den Zielbogen am Sportplatz Ossiach der von mir nur rd. 800 m entfernt war. Mir war irgendwie warm und kalt gleichzeitig. Als es endlich los ging war ich erleichtert.

 

Der erste Kilometer ging mit 4:47 noch recht flott. Bei der Abzweigung zur Bundesstraße, wo ich vorhin schon war, vergaß ich dann die Zwischenzeit zu stoppen, ich war noch zu sehr mit dem Startgetümmel beschäftigt. Das schätzte ich dann später heraus, um eine offizielle Rundenzeit zu bekommen. Kaum auf der Bundesstraße kam mir schon der spätere Sieger aus Kenia von der Wende her entgegen. Das Feld zog sich nun auseinander. Mir fiel auf, dass die meisten Läufer immer die Spur der Vorderläute hielten. Lief der vordere am linken Rand, liefen die dahinter auch dort. Ich hingegen versuchte immer möglichst die Kurve zu schneiden. Bei der breiten gesperrten Bundesstraße konnte das schon was ausmachen.

 

Nach St. Urban ging es wieder von der Bundesstraße runter. Die Strecke war nun leicht wellig immer wieder bergauf und bergab und ich begann mir nach sieben bis acht Kilometer schon schwer zu tun. Die Kilometerzeiten lagen sowieso schon weit über 5:00, gute Zeit würde es also nicht mehr werden. Überholt wurde ich auch andauernd. Ich dachte mir, jetzt lauf einmal elf Kilometer, dann hast du deinen Halbmarathon erledigt, also etwas, was die anderen um dich herum noch vor sich hätten. Bald kam zumindest diese, naja, sagen wir eigenwillige dreieckige Appartmentanlage Landskron in Sicht und damit endlich das Westufer des Sees.

 

Hier passierten wir das Ortsschild Villach. Das fand ich ein bisschen unpassend, denn von der Stadt war weit und breit nichts zu sehen. Aber der Ortsteil Landskron gehört eben seit 1974 auch zu Villach. Wahrscheinlich wurde dieser Ort nur eingemeindet, damit nicht nur die ewige Konkurrentin Klagenfurt an einem See liegt. Landskron ist vor allem durch seine gleichnamige Burg mit einer Greifvogelstation bekannt. Die Greifvogelschau auf der Burg ist wirklich sehr beeindruckend, wie wir uns bei unserem Besuch vor drei Jahren überzeugen konnten. Eigentlich können die größten Adler, die Seeadler, gar nicht fliegen, nur bei guter Thermik segeln sie elegant dahin. Manchmal überschätzen sie die Thermik aber auch, können dann nicht mehr zu ihrem Startplatz zurückkehren und landen im Tal. Dann machen sie sich wieder zu Fuß auf den Weg zu ihrem Horst. Wenn sie dann der Falkner nicht rechtzeitig mit dem Pickup wieder aufsammelt sollen auch schon mal Vögel vor Erschöpfung gestorben sein. Aber ich schweife ab.

 

Nach einer scharfen Abzweigung nach links ging es auf engen Straßerln durch eine Wohnsiedlung, ehe wir wieder auf die breite Ossiachersee Süduferstraße kamen. Jetzt war es schon etwas zäh. Als nächstes Ziel steckte ich mir den Start des Volkslaufes. Da gab es sicher wieder eine Verpflegung und ich konnte das mitgenommene Gel nehmen und kräftig mit Wasser nachspülen. Die letzten 7 km würde ich mit diesem Energieschub dann auch noch schaffen.

 

Der Energieschub blieb hinter den Erwartungen zurück und ich hatte halbwegs zu beißen um das Tempo im hinteren Bereich des Feldes zu halten. Hier war nur die linke Straßenseite gesperrt, was leicht ausreichend war, weil die meisten ohnedies am Gehsteig liefen. Ich hingegen versuchte soweit wie möglich die Straßenbreite auszunützen um Kurven zu schneiden. Schön langsam wurde es dämmrig und wir liefen in die Nacht hinein. So gesehen war ich froh, nicht zu den Schnellen zu gehören, denn dann hätte ich ja gar nichts von der, dem Rennen namengebenden Stimmung mitbekommen.

 

Hier herrschte auch etwas Stimmung. Es gab hier viele Campingplätze und einige Urlauber verbrachten den Abend an der Strecke, um den Läufern zuzujubeln. Auch wenn die Kommentare etwas launisch waren, etwa wenn ein Läufer hinter einem Wartehäuschen verschwand um sich zu erleichtern und vom Publikum der drohende Zeitverlust eingemahnt wurde, vereinfachte es das Laufen. Einmal flog ein Ball von einem Fußballfeld auf die Strecke und wurde von den Läufern wieder brav zurückgekickt.

 

Nun hatte ich nur noch eine Steigung zu bewältigen, bevor ich wieder nach Ossiach kam, die ich irgendwie hinauftrottete. An der Ortseinfahrt standen Conny und Felix, schon frisch geduscht und feuerten mich nochmal an. Conny rief mir noch nach, ich soll doch gefälligst noch den vor mir laufenden Bierbauch einholen, offensichtlich gab ich schon ein recht jämmerliches Bild ab. Ich hörte nur irgendwas mit Bier und gab nochmals Gas. Vor dem Hotel war die Seenumrundung beendet. Nun ging es noch hinunter bis zum See, ein Stück einer Promenade entlang und wieder hinauf zum Fußballplatz, wo wir noch über eine Schleife ins Ziel einlaufen konnten. Ich bekam meine Medaille umgehängt und griff mir ein Erdinger alkoholfrei, und später gleich noch eins, und wartete, bis mich meine Lieben aufsammeln würden.

 

Die Analyse der Zeiten ergab, dass Conny auf den letzten 7 km schneller war als ich. Felix sowieso. Was für eine Niederlage! Dafür war ich aber auch fast 30 km gelaufen und hatte meinen 31. See geschafft. Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es ins Hotel zum Duschen. Vom Balkon sahen wir die letzten vereinzelten Läufer im Finsteren den Weg ins Ziel suchen und ich war froh, jetzt nicht mehr in der Dunkelheit nach Bodensdorf laufen zu müssen.

 

Der Abend war so mild, dass wir noch im Gastgarten sitzen konnten, um die verbrauchten Kalorien nachzufüllen. Erst viel später hörten wir die ersten Tropfen auf der Markise. Die angekündigte Schlechtwetterfront war da.