Die Existenz unserer diesmal besuchten Braustätten ist eindeutig nachweisbar, obwohl wir wieder sehr weit in die Vergangenheit zurückgehen müssen. Da die Geschichte der beiden Brauereien eng
miteinander verknüpft ist, sie direkt nebeneinander lagen und wir im vorigen Monat sowieso keinen Bier Jour fixe abhielten, möchte ich ausnahmsweise die beiden Groß-Schwechater Brauhäuser
gemeinsam beschreiben.
In der Historie der (Klein-)Schwechater Brauerei wird immer wieder erwähnt, dass bei ihrer Gründung 1632 in Schwechat bereits zwei Brauhäuser bestanden. Es waren dies das Figdorbrauhaus und das
Popperbrauhaus, beide später nach ihren jeweils letzten Besitzern so benannt.
Beginnen wir mit dem älteren Figdorbrauhhaus. Friedrich Wäschl besaß im 16. Jahrhundert das Wirtshaus „Zum roten Krebsen“ am Hauptplatz 3. Irgendwann zwischen 1580 und 1590 errichtete er im Haus
seines Vaters, der sinniger Weise Weinbauer war, an der heutigen Adresse Bruck Hainburger-Straße 1 eine Brauerei. Bereits nach kurzer Zeit erwarb er das Nachbarhaus Hauptplatz 2 und vergrößerte
den Betrieb.
Die weiteren Besitzer waren:
ab 1615 | Hans Wäschl, Sohn von Friedrich |
danach | Regina Pistorius, später Pauenstett, seine Tochter |
danach | Barbara Helen und Philip Jakob de Duelly, Tocher und Schiegersohn |
ab 1714 | Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten |
ab 1716 | Michael Dirr und seine Frau |
Hans Wäschl erweiterte den Betrieb auf die andere Seite um das Haus Bruck Hainburger-Straße 3. Bei der Zweiten Türkenbelagerung 1683 und dem Kuruzzeneinfall 1704 wurde die Brauerei schwer beschädigt, jedoch wieder aufgebaut. 1734 übernahm die Familie Oehlmayer das Brauhaus:
ab 1734 | Josef (sen.) und Elisabeth Oehlmayer |
ab 1780 | Theresa, Ignaz und Leopold Oehlmayer, deren Kinder |
ab 1807 | Josef Oehlmayer (jun.), Sohn von Ignaz |
ab 1825 | Anna Oehlmayer |
ab 1833 | Elisabeth geb. Oehlmayer und ihr Mann Ignaz Widter |
danach | Georg Widter |
Ab 1809 scheint auch ein alter Bekannter, nämlich Georg I. Meichl, als Pächter auf, ehe er 1821 in die Simmeringer Brauerei wechselte. Unter Elisabeth und Ignaz Widter wird der Betrieb noch
einmal um ein Nachbarhaus erweitert. Die Widters kennen wir jedenfalls auch schon aus dem Gumpendorfer Brauhaus. Viel wichtiger zu erwähnen ist jedoch, dass ein Spross dieser Brauerfamilie,
nämlich Katharina Widter, Mutter des weltberühmten Anton Dreher sen. wurde.
Ab 1845 wird Joseph Primus Müller als Brauherr erwähnt. Er und seine Frau Primitiva (!) gehen jedoch in Konkurs. Damit erscheint 1850 endlich der für die Brauerei namensgebende Anton Figdor auf
der Bildfläche. Er investierte nochmals groß in den Betrieb. Er errichtete einen neuen Gärkeller, eine Malzdarre, einen Lagerkeller, zwei Eisgruben, ein Fassmagazin, eine Pechhütte sowie
Stallungen und Scheunen. Er hatte 13 Brauer beschäftigt und konnte den Bierausstoß auf mehr als 40.000 hl fast vervierfachen. In der Geschichte des Unternehmens scheint auch ein Wilhelm Figdor
als Miteigentümer auf, ob und wie dieser mit Anton verwandt war, kann ich jedoch nicht sagen. Es dürfte aber jedenfalls keine direkte verwandtschaftliche Beziehung zu dem bekannteren Albert
Figdor gegeben haben, der damals Bankier und größter Kunstsammlers Europas war.
Gegen die Übermacht Anton Drehers sen., der damals in Klein-Schwechat bereits sein berühmtes Lagerbier braute, konnte Figdor jedoch nicht bestehen. Am 27. Dezember 1862 verstarb Anton Figdor,
über sein Vermögen wurde Konkurs angemeldet. Das Brauhaus kam 1865 in einer turbulenten Versteigerung zuerst an die Creditanstalt. 1869 übernahm schließlich die Brauerei Schwechat die ehemalige
Mälzerei des Figdorbrauhauses und führte sie bis zum Zweiten Weltkrieg weiter.
Kommen wir nun zum zweiten Groß-Schwechater Brauhaus, dem Popperbrauhaus. An der heutigen Adresse Hauptplatz 3 bestand bereits spätestens um 1400 ein Gutshof. Besitzer gegen Ende des 16.
Jahrhunderts war der Zwölfaxinger Grundherr Franz von Poppendorf (nicht namensgebend für das nachmalige Popperbrauhaus). Ein gewisser Mathias Lehner kaufte das Gut und errichtete darin, nachdem
der Gründer des gegenüberliegenden Figdorbrauhauses sein Wirtshaus im Gutshof verlassen hatte, seinerseits ca. 1590 eine Brauerei. Trotz der unmittelbaren Nähe der beiden Brauereien, habe ich
aber keine Hinweise für erbitterte Konkurrenz gefunden. Es dürft vielmehr eine friedliche Koexistenz bestanden haben.
Mathias Lehner wurde 1624 in den Ritterstand erhoben, weshalb sein Besitz herrschaftlich wurde und er sein Brauhaus als Dominikalbrauhaus bezeichnen konnte. Ihm dürfte auch der Kettenhof gehört
haben, womit wir eine Verbindung zu der möglicherweise dort bestandenen Gutsbrauerei haben (siehe Bier Jour fixe September 2017). Vielleicht war es aber auch nur ein und dieselbe
Braustätte.
1629 starb Mathias Lehner und seine zweite Frau Eva Regina erbte den Besitz. Nachdem ihre Nachkommen im Zuge der Gegenreformation nach Nordeuropa emigrieren mussten, wurde die Brauerei 1654 an
die Familie Lampl verkauft. Sie vergrößerte die Brauerei in Richtung Bruck Hainburger-Straße. Die weiteren Besitzer waren:
ab 1654 | Martin und Eva Lampl |
ab 1699 | Matthias Lampl, ihr Sohn |
ab 1713 | Friedrich Lampl, sein Sohn |
ab 1751 | Johann Joseph von Mannagetta und Lerchenau, durch Kauf |
ab 1762 | die zehn Kinder des Johann Joseph |
ab 1765 | Josef Seitz, durch Kauf, bereits ab 1751 dort Braumeister |
ab 1775 | Johann und Therese Seitz, Sohn und Schwiegertochter |
ab 1779 | Theresia Seitz und ihr zweiter Mann Josef Uhl |
Ob Josef Uhl mit dem Besitzer des Kaiserebersdorfer Brauhauses Johann Georg Uhl verwandt war, kann nur vermutet werden. 1811 kauft jedenfalls ein Dr. Carl Mayer, zuvor schon dort Braumeister, das Brauhaus. Er wurde später auch Besitzer der Zwölfaxinger Brauerei. In Schwechat brachte er es zu einigem Ansehen und wird auch als Wohltäter und Schulaufseher genannt. 1831 übergab er die Brauerei an seinen Sohn Anton und dessen Frau Alosia Mayer und zog sich auf das zuvor erworbene Schloss Kettenhof zurück. Carl Mayer starb 1847. Anton Mayer baute die Brauerei komplett um. Zu seiner Zeit war das Brauhaus das größte von ganz Schwechat, er beschäftigte 39 Brauer. Er war auch Vorsteher der Wiener Bierbrauerinnung.
Anton Mayer starb 1853. Von seinen Erben kauften 1859 die namensgebenden Brüder Moritz und Leopold Popper die Brauerei. Sie steigerten die Bierproduktion auf über 63.000 hl, ähnlich wie ihr Nachbar konnten aber auch die Brüder Popper nicht gegen Dreher bestehen. Spätestens 1865 musste das Brauhaus schließen. Auch hier kaufte die Brauerei Klein-Schwechat den Betrieb und führte die Mälzerei bis zum Zweiten Weltkrieg weiter. Auf Ansichtskarten von Schwechat zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind die Malztürme der beiden ehemaligen Groß-Schwechater Brauhäuser mit ihren markanten Windflügeln noch gut zu erkennen.
Schauen wir nun, ob wir heute noch interessante Spuren finden. Wir beginnen unseren Rundgang wieder am Bahnhof Schwechat. Obwohl wir jetzt schon mehrmals in Schwechat waren, fiel mir nun zum
ersten Mal auf, dass es ca. 600 m nordöstlich des Bahnhofs einen Karl Widter Weg gibt. Karl Widter war um 1870 Müllereiarbeiter und setzte sich für die Rechte seiner Kollegen ein. Eine
Verwandtschaft mit den Widters aus dem Figdorbrauhaus kann wieder nur vermutet werden.
Wir gehen nun aber durch die Tiefenbachergasse Richtung Stadtzentrum und biegen gleich rechts in die Ableidingergasse ein. Johann Ableidinger war einerseits im Ersten Weltkrieg Bürgermeister von
Schwechat, andererseits Historiker. Seiner „Geschichte von Schwechat“ verdanken wir viele Details über die Schwechater Brauereien, die auch hier in dieser Beschreibung wiedergegeben werden.
Wir biegen nun links in die Weglgasse, die nach Kurzem in den Anton Figdor-Weg übergeht, womit wir den Namensgeber unserer ersten Brauerei verewigt sehen. Folgen wir dem Anton Figdor-Weg bis zum
Ende stehen wir unvermittelt in einem Hinterhof und damit am Gelände des ehemaligen Figdorbrauhauses. Bauteile die angeblich einmal zum Braugasthof gehört haben, sind noch zu erahnen.
An der Bruck Hainburger-Straße erinnert der rechte Bauteil des Hauses Hauptplatz 2 und das Haus Bruck Hainburger-Straße 1a noch an die seinerzeitige Brauerei. Im letzteren Haus, dem Ursprungshaus
der Brauerei, ist heute eine Glaserei untergebracht. Am Haus Bruck Hainburger Straße 3 ist eine schlecht entferne Aufschrift „Wohnhausanlage der Brauerei Schwechat“ zu erkennen.
Wenden wir uns jetzt (im wahrsten Sinne des Wortes) dem Standort des ehemaligen Popperbrauhauses zu. An der gegenüberliegenden Adresse Hauptplatz 3 steht heute das 2015 eröffnete City House. Davor war hier lange Jahre der Autohändler Fritz Neckam angesiedelt, auf dessen Firmenareal bis zum Abriss 2011 noch Bauteile der Brauerei zu finden waren, sie sind in einem NÖN-Artikel aus diesem Jahr zu sehen. Bei den Bauarbeiten zum City House wurden neben Funden aus der Römerzeit und dem Mittelalte, für uns viel interessanter, auch Kellerräume des Popperbrauhauses freigelegt.
Im neuen City House befindet sich nun, wenn schon nicht ein Bierlokal, dann doch zumindest das Eiscafé
Maximilian, was uns doch noch die Gelegenheit bietet, auf historischem Boden Bier zu uns zu nehmen.
Zur Vervollständigung der Besichtigungen der ehemaligen Groß-Schwechater Brauhäuser gehen wir danach noch über den Hauptplatz, der am südlichen Ende in die Himberger Straße mündet. In einem Haus,
das ungefähr bei der heutigen Hausnummer 11 gestanden hat, soll um 1620 eine weitere Groß-Schwechater Brauerei entstanden sein. Zwei Bierbrauer werden an dieser Adresse vermutet, Mathias Tüncz
und Georg Haukh. Bei der Zweiten Türkenbelagerung 1683 wurde das Gebäude niedergebrannt, womit die mögliche Geschichte dieser Brauerei schon wieder zu Ende ist. Ein zuletzt Ochsenwirtshaus
genanntes Lokal bestand noch bis 1972 an dieser Adresse. Heute befindet sich hier ein Lebensmitteldiskonter.
Den Abend wollen wir aber nun in dem uns schon bekannten Brauhaus Schwechat beschließen, das wir nach gut 1 km Fußmarsch erreichen. Dort können wir einerseits Brauhauskost zu uns nehmen, andererseits uns von der Qualität jenes Produktes überzeugen, das dereinst den Todesstoß für die beiden Groß-Schwechater Brauhäuser bedeutete.
Quellen
http://www.schwechat.gv.at/de/datenzahlen/geschichte/2323/Historischer-Abriss
http://www.schwechat.gv.at/de/datenzahlen/buechereien
http://www.schwechat.gv.at/media/calameopdf/30_gs0907.pdf#page=2
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=17890228&seite=18&query=%C3%B6hlmayer
http://www.brauwesen-historisch.de/Oesterreichw.html
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Georg_Meichl
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18440720&seite=12&query=widter
https://books.google.at/books?id=sY8AAAAAcAAJ&lpg=PA316&pg=PA316
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https://brautopo.webnode.at/niederoesterreich/
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https://de.wikipedia.org/wiki/Dominikalland
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http://www.schwechat.gv.at/de/datenzahlen/buergermeister
http://www.schwechat.gv.at/de/datenzahlen/geschichte/2324/Roemer-in-Schwechat
http://www.schwechat.internet-bibliothek.at/search?mode=a&crit_0=vf&value_0=Ableidinger%2C+Johann
http://www.schwechat.internet-bibliothek.at/search?mode=s&view=detail&id=0.5206
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https://www.wohnnet.at/immobilien/projekt-2320-schwechat-kauf-226641580
http://www.schwechat.gv.at/media/calameopdf/93_GS_04_2013_Internet.pdf#page=17
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